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Belgrad/Vrsac/Graz (31. Mai 2004) - Das Berndt Luef Quartett, bestehend aus Gitarrist Dragan Tabakovic, Berndt Luef (Vibraphon & Percussion), Bassist Thorsten Zimmermann und Dusan Novakov am Schlagzeug, war zum Jazztronic Jazz & Bluesfestival nach Vrsac an der serbisch - rumänischen Grenze eingeladen, um dort am Samstag, dem 22. Mai 2004, zu konzertieren. Am Donnerstag davor gastierte die Band im Belgrader Club Cafe del Mare. Der für Freitag geplante Auftritt konnte leider nicht zustande kommen, da Dusan Novakov für den erkrankten Schlagzeuger des Tony Lakatos Quartetts einspringen mußte.
An diesem "freien" Tag habe ich mit Dragan Tabakovic seine Verwandten in Zemun (eine einst eigene Stadt, die nach dem Bau von Novi Beograd eingemeindet worden ist) besucht und dann einige Stadtwanderungen in der Altstadt (Stari Grad) von Belgrad unternommen. Durch den langen Boulevard der Srpskih Viadara, vorbei am Belgrader Rathaus und dem Jugendzentrum SKG sind wir zum protzigen Prunkbau der St. Sava Kirche gegangen, die vor 20 Jahren zu Ehren des Hl. Sava errichtet worden ist. In Belgrad kann man noch einige kleine Geschäfte erleben, die in Zeiten der Globalisierung aus anderen Städten schon verschwunden sind. So kamen wir an einem winzigen, dreieckigen Geschäft Kravate Dragan Lubarda vorbei, in dem nur Krawatten verkauft werden, und auch das nur an gewissen Tagen von 15 bis 18 Uhr.
Über die Fußgängerzone Knza Mihaila erreicht man die faszinierende Stadtfestung Katemegdan, die an schönen Tagen mit vielen Spaziergängern bevölkert und am Abend ein Treffpunkt für die Jugendlichen und besonders für die Liebespaare ist. Wie schon vor mehr als einundzwanzig Jahren hat mich das, von dieser Burgfestung zu sehende Schauspiel der Mündung der Save in die Donau fasziniert. Kurz vor dieser Mündung wird die Donau durch die Flußinsel Veliko ratno ostrovo geteilt, und nach der Mündung der Save in einen dieser Arme fließen die beiden Strömungen noch gut sichtbar nebeneinander her. Die endgültige Vermischung findet erst statt, wenn die beiden Donauarme wieder zusammenfließen, aber auch dann kann man noch eine zeitlang die verschiedenen Strömungen erkennen. An der Save und an der Donau liegen etliche Hausboote, die als Restaurant betrieben werden. Nikola Tabakovic, der Cousin von Dragan, hat uns auf sein Bootrestaurant eingeladen - und wir konnten dort gleich eine Gewitterstimmung erleben.
Von der Nato zurück in die Steinzeit gebombt - oder befreit?
In der Fußgängerzone selbst gibt es viele Restaurants und einige "gestylte" Modegeschäfte, die wohl schon ein Vorbote der Basketball-WM sind, die im nächsten Jahr in Serbien stattfinden wird. Da sich die wirtschaftliche Situation der Menschen seit unserem letzten Besuch kaum gebessert hat, weiß ich allerdings nicht, wer sich diese überteuerten Markenartikel (z.B. T-Shirts um 2100 Dinar, das sind 30 Euro) leisten könnte.
Die Burekstationen, die Pitas mit Gemüse, Fleisch, Käse, Kartoffel und Spinat anbieten (dazu gibt es einen Becher flüssiges Joghurt) und die Pleskavica/Cevapbuden sind immer eine Einkehr wert und für unsere Verhältnisse auch sehr billig. Die Gastfreundschaft der Familien Novakov und Tabakovic war aber wiederum so groß, daß ich eigentlich keine zusätzliche "Nahrungsaufnahme" benötigt habe.
Jazztronic Jazz & Bluesfestival in Vrsac
Das Kulturzentrum in Vrsac, in dem das Festival stattgefunden hat, ist dem serbischen Literaten und Theaterschreiber Nikola Sterija gewidmet. Das dreitägige Jazztronic Jazz & Bluesfestival fand heuer zum dritten Mal statt, und wir waren die erste österreichische Gruppe, die daran teilgenommen hat. Veranstalter Momo Cvetkovich hat ein, für die Künstler angenehmes Ambiente geschaffen, die Tontechniker arbeiteten professionell, und auf der Bühne war gleichzeitig eine Videowand installiert, auf der man den Musikern "auf die Finger schauen" konnte. Wir haben am zweiten Tag des Festivals nach der Vasil Hadzimanov Band gespielt, deren Musik an Joe Zawinuls Weather Report erinnert. Größtenteils haben wir Auszüge aus dem Programm Felidae gespielt, mit dem wir seit einem Jahr auf Tour sind. Ein lustiges Detail am Rande: Die Musiker sind immer im neu erbauten geriatrischen Zentrum von Vrsac, das auch einen kleinen Hotelbetrieb hat, untergebracht. Vielleicht ein unbewußter Hinweis sich auch mit diesem sicher kommenden Abschnitt des Lebens auseinanderzusetzen ...
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Die Straße von Belgrad nach Vrsac ist ziemlich abenteuerlich. Als wir durch den Ort Nicolinci gefahren sind und dort das Transparent für die 600 Jahr-Feier gesehen haben, meinte Dragan, die Straße dürfte auch dieses Alter haben. Jazzkritiker Slobodan Arandjelovic, den wir in Vrsac wiedergetroffen haben, erzählte mir, daß die Straße nun erneuert werden soll, da auch Vrsac ein Spielort der Basketball-WM sein wird. Die Festung von Vrsac mit einem Turm aus dem 15. Jahrhundert wurde unverständlicherweise während des Krieges von 1999 von der NATO bombardiert und größtenteils zerstört (die Renovierungsarbeiten waren gerade einmal 1997 abgeschlossen worden). Bei diesem Bombardement wurde auch die Eisenbahnverbindung nach Rumänien vollkommen zerstört. Ein heute noch zu lesendes Graffity lautet: "Was NATO expecting that Serbia will maybe attack Romania with trains?"
Vrsac beherbergt eine bekannte Akademie für Flugzeugpiloten, und der Flughafen wurde 2002 für regionale Flüge wiedereröffnet. Die Stadt hat übrigens eine lange Tradition im Schachspiel, ihr berühmtester Vertreter war der Schachmeister Bora Kostic ("Onkel Bora", 1887 - 1963), der in der ganzen Welt Turniere spielte und mitbegründete. In jüngster Zeit wurden der 1952 in Vrsac geborene Maler Miroslav Pavlovic und der 1968 auch dort geborene und derzeit in Wien lebende Regisseur Goran Rebic (Jugofilm) bekannt. Viele Häuser und die berühmte Kathedrale von Vrsac erinnern an die schwäbischen Einwanderer aus dem 18. Jahrhundert (der in der Kathedrale zu findende Kreuzweg ist noch immer in deutscher Sprache beschriftet).
Das Banat ist eine ethnisch gemischte historische Region, das im Osten von Transsylvannien und der Walachei, im Westen von der Theiß, im Norden der Maros und im Süden von der Donau begrenzt wird. Leider hat das Wetter am Samstag umgeschlagen und wir sind im Regen durch dieses Gebiet gefahren. Der Wortstamm Banat hat einen persischen Ursprung und bedeutet Herr und Meister. Eingeführt wurde der Name durch den Stamm der Awaren. Das lange unter osmanischer Herrschaft stehende Gebiet wurde 1717 von Prinz Eugen von Savoyen befreit (1718: Friede von Passarowitz), und da es auf Grund der vielen Kriege teilweise entvölkert war und brach lag, wurde das Banat von den Habsburgern (besonders unter der Regentschaft von Maria Theresia) mit den sogenannten Donauschwaben kolonisiert. Deren Verhältnis zu der traditionell ansässigen Bevölkerung blieb mehr oder weniger immer gespannt. |
Ab 1887 kam es durch die Ungarn zu einem Madjarisierungsdruck, und um 1906 erfolgte die Gründung der nationalistischen deutsch-ungarischen Volkspartei. Nach dem Zusammenbruch der Monarchie wurde das Banat zwischen Rumänien, Jugoslawien (als Teil der Vojvodina) und Ungarn aufgeteilt. In den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts fühlte sich ein großer Teil der Führung der Donauschwaben als "Vorposten des Deutschtums auf dem Balkan" und stellte sich im Zweiten Weltkrieg aktiv in den Dienst des Nationalsozialismus. Besonders berüchtigt war die 7. SS Division Prinz Eugen, die im Zuge der Partisanenbekämpfung zahlreiche Greueltaten an der Bevölkerung begangen hat und auch Gegenstand der Kriegsverbrecherprozesse in Nürnberg gewesen ist. So mußte nach der Niederlage von Nazi-Deutschland ein Großteil der Donauschwaben das Land verlassen, wobei die Vertreibung in einigen Landstrichen auch mit ethnischen Säuberungen verbunden war.
Die beiden Fahrten verliefen ohne größere Probleme - Dusan und Dragan haben ja nun die österreichische Staatsbürgerschaft -, es ist aber eine doch anstrengende Fahrerei. Das schlechte Teilstück von Zupanje in Kroatien bis zur kroatisch/serbischen Grenze erstreckt sich über 34 km und wird erst in nächster Zeit ausgebaut werden. Bei warmem Wetter werden die Grenzstationen in diesem sumpfigen Gelände regelmäßig von Moskitoschwärmen heimgesucht. Während der Rückfahrt war es jedoch regnerisch kühl - und die Moskitos auf "Tauchstation". In Belgrad ist man bei der Suche nach diversen Straßen ziemlich verloren: Straßennamen nur am Anfang und Ende der jeweiligen Straßen und ein nicht leicht zu durchschauendes Einbahnsystem behindern die Orientierung. In der Stoßzeit ist die Hauptbrücke über die Save, die Brankova, regelmäßig verstopft.
Das Berndt Luef Quartett nach dem Auftritt: müde, abgekämpft - aber glücklich
PS: Die bei uns allgemein wenig bekannte Musikszene der Balkanländer verdient große Aufmerksamkeit. Wie wäre es, zum Beispiel, mit einer Ö3-Serie über die Virtuosen Südosteuropas - so richtig international?! pps
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