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Musik spielt keine Rolle

Wir amüsieren uns zu Tode - mit oder ohne Österreich. Eine kurze Abhandlung über das musikalische Vakuum und hochbezahlte Indolenz.

Wien (17. Mai 2004) - Musikalische Qualität allein zählt nicht. Das mußte der talentierte Norweger Knut Anders Sorum zur Kenntnis nehmen, dessen Beitrag High von der europäischen Öffentlichkeit mit drei Punkten versenkt wurde. Der ehrenvolle letzte Platz war somit vergeben. Die österreichischen Song Contest-Teilnehmer Tie Break, auf Platz 21 Viertletzte des heurigen Wettbewerbs, sind mit ihrem Auftritt "absolut zufrieden". "Wir haben alles gegeben", sagte Thomas Elzenbaumer in der Nacht auf Sonntag, "mehr wollten wir nicht. Natürlich wäre ein besserer Platz schön gewesen, aber da kann man nichts machen. Es war eine tolle Erfahrung, und wird sind nicht traurig. Wir werden jetzt sicher noch eine tolle Party haben."

Warum nur, warum?!

Das fragte Udo Jürgens bei seinem ersten Antreten, ehe er 1966 mit Mercie Chérie im dritten Anlauf den Grand Prix gewann. Ob Tie Break eine zweite oder gar dritte Chance gegeben werden wird, steht in den Sternen. "Nach Gebrauch wegwerfen" lautet das Motto ja nicht nur in Österreich.

"Tie Break, das Trio, das heuer mit der Erbschleicher-Ballade Du Bist den gerechten 21. Platz belegte", feixt Karl Fluch im Standard. "Wenn einem sogar das Grundübel solcher Irrtümer - das Formatradio Ö3 - die Liebe entzieht, darf man sich über einen Bauchfleck nicht wundern." - Womit wir beim ORF angelangt sind. Dieser ist bekanntlich Mitglied der veranstaltenden European Broadcasting Union [EBU] und als solches für die Auswahl unseres Beitrages verantwortlich - und nicht das Publikum.

Mission accomplished

Seit Jahren versuchen die Handlanger der transnationalen Verdummungsindustrie eigenständige Kulturen [noch] kaufkräftiger Absatzmärkte abzuwürgen. Was 1995 mit der Ankündigung des damals neuen Polygram-Chefs "Wir werden das österreichische Repertoire auf null reduzieren" begann, findet heute in Deutschland und Österreich seine Vollendung. Motto: Gott schütze uns vor der lästigen Konkurrenz! Und Gott schützte - oder war es doch das Kapital? [Coda Bericht]

"Den Rest besorgte der ORF: Mit dilettantisch inszenierten Vorausscheidungen, denen man das aufgebrachte Desinteresse in jeder Sekunde ansah", analysiert Karl Fluch weiter. Natürlich kann man von den ORF-Verantwortlichen nicht verlangen, daß sie irgendeinen Zugang zur Musik haben. Wir sind schließlich Realisten. Was wir aber mit Fug und Recht fordern können, ist das Engagement von Fachleuten. Tatsächlich verfügt Österreich nach wie vor über ein großes Reservoire an professionellen Musikschaffenden. Ihnen ist - unter fachgerechter Leitung - die Arbeit zu ermöglichen. Dazu ist der ORF gesetzlich verpflichtet.

Leben nach diesem Song Contest

Musik hat zwei zentrale Bestandteile: Handwerk und Spiritualität. Ersteres findet sich auch in den diversen Hitradios, auf Letzteres müssen sie [und wir] - den Vorgaben der Werbewirtschaft folgend - verzichten. Aber es gibt eine Alternative zur Diktatur des käuflichen Mittelmaßes, dessen unterwürfigste Vertreter sich bis heute durch das gezielte Verächtlichmachen charismatischer Persönlichkeiten hervortun (muß ich erst sterben, um zu leben?). Solange in die Tiefe gehende Dokumentationen wie Get Up, Stand Up von Rudi Dolezal und Hannes Rossacher im ORF - wenn auch nur zur Geisterstunde - noch gesendet werden dürfen, ist Polen nicht verloren.

PS: Der Wiederaufbau einer auch kommerziell erfolgreichen Musikszene wird einige Jahre in Anspruch nehmen. Die Musikschaffenden Österreichs sind dazu bereit.

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