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Vorkritik des Song Contest

"Wenn Du Schopenhauer gelesen hast, kannst Du dir das nicht mehr anhören!" Alf Poier zum Song Contest.

Wien/Istanbul/Wien (13. Mai 2004) - Die Qualifikationsrunde in Istanbul ging zumindest rein technisch klaglos über die Bühne. Programmatisch der Titel des belgischen Beitrags zum diesjährigen Song Contest: Let Us Be Free. Was Alf Poier in einer Sendung des NDR zur Bemerkung veranlaßte "Wenn Du Schopenhauer gelesen hast, kannst Du dir das nicht mehr anhören!"

Aber beim alljährlichen Festival des mittelmäßigen Liedes geht es ohnehin nicht um die Musik. Ballett - oder zumindest rhythmische Sportgymnastik - ist seit langem Trumpf; und wenn sich auf der Bühne nichts bewegt, dann fahren halt die Kameras mit aberwitzigen Geschwindigkeiten im Kreis - so sinnvoll wie sonst nur in der Formel Eins.

Apropos: Wie in der Königsdisziplin des Motorsports wird ab heuer auch beim Song Contest die Qualifikation übertragen. Aber "abgesehen" von Ruslana und ihren wilden Horden aus der Ukraine und Lisa Andreas aus Zypern war Unterhaltung nur auf freiwilliger Basis möglich und erfolgte auf eigene Gefahr.


Vorbildlich: Lisa Andreas und Ruslana

Der Song Contest ist völkerverbindend. Alle Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien konnten sich qualifizieren. Dennoch denke in Österreich vorerst kein Bundesland daran, diesem Beispiel zu folgen, wie aus dem Außenmysterium verlautete. Über die Chancen des heimischen Beitrages gehen die beiden Meinungen weit auseinander: Zwischen Sieg und dem Gegenteil ist alles möglich. Letzteres dürfte auch der ORF für wahrscheinlich halten und beschränkte seine Hilfe auf das übliche Minimum.

Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott

"Wenn wir weiterhin keine Unterstützung kriegen, fragen wir uns, ob es unter diesen Umständen überhaupt sinnvoll ist, nach Istanbul zu fahren", meinte Tie-Breaker Thomas Elzenbauer noch vorige Woche. Mittlerweile sind sie zwar schon dort, aber auch nicht viel weiter. Choreografische und stimmliche Betreuung mußten sie selbst organisieren - und mit ihrem Ersparten finanzieren. "Wir verstehen nicht, daß wir Österreich vertreten, aber selber dafür zahlen müssen", bestätigt Tommy Pegram aus Dornbirn, mit 19 Jahren der Jüngste im Trio.

"Die drei werden genauso gut betreut wie frühere Song Contest-Teilnehmer", drohte Unterhaltungschef Edgar Böhm. Schließlich könne der ORF ja nichts dafür, daß der Manager ihrer Plattenfirma Warner überraschend den Hut genommen habe. "Daher haben sie nicht das Backing, das man braucht. Aber das kann der ORF nicht kompensieren. Wir sind nur der TV-Sender, nicht ihre Ausbildner und nicht ihre Plattenbosse", so Böhm.

Richtig! Der ORF ist ein Fernsehsender, und sonst nichts. Es muß so sein, denn sonst würde man unseren Beitrag auch im Radio hören. Während das deutsche Lied schon jetzt ein Verkaufserfolg ersten Ranges ist, wissen die Österreicher nicht einmal, daß es eine CD von Tie Break gibt. Wozu auch? Sie könnten die Platte ohnehin nicht kaufen. Wie sagte ARD-Moderator Axel Bulthaupt so treffend: "Das ist ein Titel, den schickst Du ins Rennen, wenn Du nicht gewinnen willst!" Er hat damit zwar nicht unseren gemeint, aber auch das spielt letztlich keine Rolle.

PS: Dabei sein ist alles. Wie man hört, umfaßt unsere Delegation in Istanbul diesmal nur dreißig Leute (in Worten: 30). Das Leben ist schwer, aber wir nehmen es auf uns!

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