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Wien (24. März 2004) - Bei der deutschen Vorausscheidung zum Eurovisions Song Contest leer auszugehen, war 2004 durchaus als Adelsprädikat zu werten, denn die Leistungen waren bis auf wenige Ausnahmen ansprechend. Die Professionalisierung des Starterfeldes hat hier einen deutlichen Qualitätsschub gebracht. In Österreich war schon alleine die Teilnahme ein Schlag in die Magengrube der hoffnungsvollen Aspiranten.
Klarer Verlierer
Der ORF hat wieder eindrücklich bewiesen, daß er mit Musik nicht umzugehen weiß. Mit nun schon lähmender Regelmäßigkeit werden die Vorausscheidungen von Jahr zu Jahr schlechter und von drittklassigen Gagschreibern und ständigen Moderatorenrochaden nur immer kranker kuriert. Details zu dieser erbärmlichen "Show", die von einigen wenigen im Raum postierten Steh-Zuschauern brav beklatscht wurde, sind im nachbetrachtenden Kurier-Kommentar von Dietmar Pribil erfüllend und unterhaltend nachzulesen.
In Deutschland hat man - im Auftrag des NDR - die Zeichen der Zeit erkannt und die Startplätze von Seiten der Plattenfirmen mit teilweise bereits goldprämierten Künstlern der jüngeren Generation besetzt. Auch der Trend zur deutschsprachigen Pop-Musik schlug sich in fünf Beiträgen nieder, während in Österreich sich nur eine Band in ihrer Muttersprache artikulierte - interessanterweise trug sie den Sieg davon und pikanterweise den Vorwurf des Plagiats obendrein.
Germany - 12 Points
Eröffnet hat die professionelle ARD-Sendung Germany 12 Points Patrick Nuo, ein mit stimmlicher Souveränität agierender Sänger, der den Pop-Beau des Mainstreams durchaus glaubhaft zu geben verstand. Mia blieben eine Spur zu farblos und litten sichtlich darunter, daß Wir sind Helden den deutschsprachigen Alternative-Pop zurzeit qualitativ und erfolgsmäßig [vier Echos] haushoch in Alleinvertretung anführen.
Sabrina Setlur - von der lieben aber teilweise nervigen Moderatorin Sarah Kuttner für ihr beeindruckendes Dekolleté gelobt, blieb abseits dieser optischen Optimierungsübung so ziemlich alles schuldig: Von einer "deutschen Hip Hop Königin" war nichts zu bemerken, nur immer gleiche Pelham’sche Textphrasen und Soundtexturen füllten die kostbare Vortragszeit. Laith Al-Deen punktete, wie gewohnt, mit seinen stimmlichen Qualitäten. Ihm bleibt aber selbst als goldenem Mainstream-Künstler aufgrund seiner Formatradio tauglich gemachten, kompressierten Musik ohne Ecken und Kanten die wirklich breite Masse der Hörerschaft verschlossen.
Scooter machten Party und punkteten abseits ihres Beitrages mit flotten Sprüchen und sympathischer Ausstrahlung - die Botschafter des deutschen Dance erfüllten ihre Mission und erreichten Platz zwei. Overground spulten brav ihre Choreographie ab, konnten auf der akustischen Ebene aber nur eine eventuelle Ausbaufähigkeit ihres stimmlichen Potentials andeuten. Ihr Ayman-verdächtiger Happy-Song, der natürlich das unvermeidliche Wort "Stern" im Titel führen mußte [Der letzte Stern], war auch nicht angetan, diese Unzulänglichkeiten zu kaschieren.
Choreographierte Gesellschaft
Tina Frank wollte man zu ihrem Lied Ich schenk dir mein Herz lediglich ein herzlich herzhaftes Bitte nicht! entgegen rufen. Die Westbam-Ansage, einen Song gegen die choreographierte Gesellschaft aufzuführen, schien politisch korrekt und verschmitzt zugleich. Die Umsetzung jedoch geriet in die Bahnen einer unreflektierten Aneinanderreihung von HipHop Klischees - als punktueller, kleiner Aufreger [Westbam & Afrika Islam werden von der Polizei wohl choreographiert abgeführt] im Reigen der zehn Auftritte war es jedoch richtig programmiert.
Bei Wonderwall lagen die Nerven blank, was zu einer schüchternen und stimmlich wackeligen Vorstellung führte. Ihr Song war leider im negativen Sinne handgestrickt. Max [Maximilian Mutzke] erschien locker in Jeans und schwarzem Rollkragenpullover und signalisierte schon vor dem ersten Ton, daß er gekommen war, seine Stimme zu präsentieren und sonst nichts. Vollkommen zu recht ging er aus dem Bewerb als Sieger hervor, denn er zeigte die eindringlichste und engagierteste Gesangsdarbietung des Abends. Keine Nervosität, kein Schnickschnack, sympathisches Selbstbewußtsein und schließlich das klug, aber keineswegs revolutionär entworfene Can’t Wait Until Tonight, getextet und komponiert von Stefan Raab, waren die idealen Zutaten für eine viel umjubelte Siegervorstellung.
Schlimm für die deutschen Plattenfirmen, daß nicht sie mit ihrer Primärkompetenz für Künstlervernichtung und drittklassige Casting-Karaoke-Jugendliche es schafften, den Song Contest zu beschicken. Vielmehr braucht es offensichtlich einen Top-Musiker wie Stefan Raab, der, mit einer quotenstarken Fernsehsendung im Rücken, ein 22-jähriges Stimmnaturtalent unterstützt und mit ihm groß abräumt - Hoffnung im Wahnsinn? Ja! Zumindest in Deutschland.
PS: ORF-Generaldirektorin Monika Lindner sei anempfohlen, sich ein Band von der deutschen und österreichischen Sendung zu besorgen, damit auch sie Vergleiche und Konsequenzen ziehen kann.
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