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Wien, Salzburg (9. Oktober 2006) - »Auch bei einer neuen Regierung wird es lediglich eine neue Verteilung von Ohnmacht geben. Man kann keine Gelder verteilen, die gar nicht da sind. Eine soziale Einstellung allein hilft da wenig. Wir müssen die Menschen auf die herrschende Kapitalverschiebung aufmerksam machen. Vor allem im Kulturbereich gibt es so wenig Geld, weil Kultur für die Entscheidungsträger wenig interessant ist.« Das sagte ich in einem Interview mit der Austria Presse Agentur am 26. Juni 2006.
Heute, eine Woche nach der Wahl, schlägt der Salzburger Rhetorik-Forscher Lothar Kolmer in dieselbe Kerbe. »Es gibt kein Geld zu verteilen. Man kann nur neue Schulden machen oder umverteilen - oder beides«, analysiert der Universitätsprofessor in den Salzburger Nachrichten. |
Nach der Wahl ist vor der Wahl
Immer mehr politische Kommentatoren spekulieren mit einer baldigen Neuwahl – als Alternative zu völligem Stillstand. Die Begründung: Die SPÖ könne nichts durchsetzen, die ÖVP wolle nicht. »Das Widerstreben der ÖVP, sich als Juniorpartner in eine Koalition mit der SPÖ zu begeben, ist verständlich«, schreibt der Journalist Andreas Koller. »Einen solchen Schritt hatte die Volkspartei bereits 1987 gesetzt - und in der Folge 13 Jahre lang Wahlen am laufenden Band verloren.« Parteitaktisch gesehen, müßte es die ÖVP auf ein Scheitern der Koalitionsverhandlungen und Neuwahlen anlegen, so Koller.
Damit schließt er sich dem Autor und Kulturphilosophen Franz Schuh an, der vor einigen Tagen erklärt hatte, er rechne mit der Möglichkeit, daß »Wolfgang Schüssel auf den Abbruch der Gespräche hin verhandelt, um entweder Neuwahlen zu erzwingen, oder aus 'Verantwortung für den Staat' mit den beiden Rechtsparteien FPÖ und BZÖ in eine Regierung geht«.
Die Stimme der Kunst
»Egal, wie es heißt, wir wollen, daß Kunst und Kultur auf Ministerhöhe behandelt wird.« Deutlich äußerte sich Gerhard Ruiss, Geschäftsführer der IG Autorinnen/Autoren (im Witoszynskyj-Bild unten), über seine Erwartungen an eine SPÖ-geführte Regierung unmittelbar nach der Wahl.
Statt der »Geheimdiplomatie der letzten Jahre« wünsche er sich öffentlich einsehbare Prozesse. »Sofort in die Höhe fahren« müsse man auch das Kunstbudget, das im Moment den "zweitkleinsten Posten" besetze. Die SPÖ müsse vor allem die Infrastruktur stärken, lediglich repräsentative Strukturen seien zu wenig. |
Was wird wohl aus unseren Forderungen werden? Welches Schicksal werden überhaupt alle vernünftigen Forderungen erleiden? Zunächst gibt es tatsächlich einiges, das uns zu denken geben müßte: Nur mehr 20 Prozent aller Gesetze werden in Österreich gemacht. Der Kulturbereich zählt noch dazu. Kultur darf ein Staat noch fördern, sogar die eigene [auch wenn das manche für rassistisch halten]. Dafür braucht er jedoch Geld. Nur: Woher nehmen? Ausstiege aus sündteuren Verträgen [Eurofighter, EU, WTO ... ] sind zwar theoretisch möglich, in der Praxis jedoch mit exorbitant hohen Kosten verbunden.
Alfred Gusenbauer hat dennoch angekündigt, den Eurofightervertrag kündigen zu wollen. Ein Versprechen, daß Professor Kolmer für uneinlösbar hält: »Ich gehe davon aus, daß die Eurofighter fliegen werden.« Die künftige Regierung werde argumentieren wie folgt: »Die Verträge, die uns hinterlassen wurden, sind so unvorteilhaft, daß wir nicht mehr aussteigen können.«
Subvention versus gleichberechtigte Teilnahme am Markt
Ähnlich verhält es sich mit den EU-Verträgen und Österreichs gegenüber der Welthandelsorganistation WTO eingegangenen Verpflichtungen. Wir sitzen in der Falle, und unter diesem Gesichtspunkt wird die Weigerung Wolfgang Schüssels, das Budget der subventionsabhängigen Bundestheater zu erhöhen, ebenso verständlich wie sein demonstrativer Unwille, den heimischen Kunstschaffenden die gleichberechtigte Teilnahme am "freien" Markt zu gestatten - denn um nichts anderes handelt es sich beim institutionalisierten Boykott österreichischer Musik.
Wird sich das unter einer SPÖ-Regierung ändern? Was dürfen wir uns von einem SPÖ-Kulturministerium erwarten? Die Umsetzung der bereits 1999 im Weißbuch zur Reform der Kulturpolitik geforderten Neuerungen? Mehr Geld für die Kunstschaffenden? Eine komplette und erschwingliche Sozialversicherung? Oder nur eine Ministerin bzw. einen Minister mehr, der aus Angst vor Konsequenzen im entscheidenden Moment wieder mit der Mehrheit stimmt?
| Was diesen Ministerposten betrifft, habe er »in die leuchtenden Augen von Broukal geschaut«. Kulturpolitisch sei die Besetzung eine »sehr heikle Sache«, so Franz Schuh. »Gusenbauer nannte die Menschen des Kulturbetriebs 'kleinbürgerliche Pseudoeliten'. Das nenne ich eine marxistische Schimpfwortpsychologie. Wenn jemand zur Pseudoelite zählt, dann ist es Gusenbauer.« |
Mir san mir
Natürlich ist die österreichische Innenpolitik, so sehr sie uns betrifft, global gesehen ein derart unwichtiges Randthema, daß es letzten Endes völlig unerheblich ist, ob nicht nur in Ungarn, sondern auch bei uns gelogen wird, daß die Schwarten krachen. Längst ist nicht nur das Fremde der zu vernichtende Gegner. Warum sollte man sich auf das Bekämpfen des Fremden beschränken, wenn das Eigene so nah liegt?
Österreich müsse »im globalen Kontext gesehen werden« heißt es. Zu deutsch: Wir sind nicht allein auf dieser Welt. Globalisierung ist allerdings weit mehr als nur ein Schlagwort. Es beschreibt einen Vernichtungsfeldzug von bisher nicht dagewesenem Ausmaß. Wenige Superreiche führen - mit Unterstützung von Millionen willfährigen Reichen, die viel zu verlieren haben - einen unerklärten Krieg gegen die Habenichtse dieser Welt. Sie reden uns ein, die Globalisierung wäre unsere einzige Chance. Aber die menschlichen Grundbedürfnisse, wie zum Beispiel die Nahrungsmittelproduktion, dem globalen Wettbewerb zu unterwerfen, führt zu tödlichen Ungleichheiten. Hunderttausend Hungertote täglich müßten uns eigentlich zu denken geben. Jetzt! Denn Massenmord und Kultur passen nicht zusammen.
PS: Erstaunlicherweise bleibt die Forderung nach einem globalen Wettbewerb für Politiker ungehört. Andernfalls müßten wir ja längst von Menschen aus einem Billiglohnland regiert werden. pps
Tipps: Franz Schuh - Schwere Vorwürfe. Schmutzige Wäsche (Verlag Zsolnay)
Begründung der Jury: "Der Essayist Franz Schuh erhält den Preis der Leipziger Buchmesse 2006 für seine Sammlung von Texten, die alle Bereiche der menschlichen Existenz durchleuchten und oft in äußerst verknappter Form Reflexionen über Liebe, Glück und Vergeblichkeit alles menschlichen Strebens in verblüffende Zusammenhänge stellt. Die unterschiedlichen Formen seines philosophischen Nachdenkens machen die Texte zu sprachlichen Kostbarkeiten, die eine große Linie dieses Genres von Kafka bis Polgar in das 21. Jahrhundert hinüberretten."
Gerhard Ruiss - Kanzlergedichte (Edition Aramo)
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