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Das Wunder von Wörgl - II

Im zweiten Teil geht es um die Konsequenzen des Wunders von Wörgl - und das Verbot des Schwundgeldes. Ein Originalbericht aus dem Jahr 1933.

Wörgl (im Mai 1933) - Trotz der Beliebtheit des Notgeldes in Wörgl selbst sind dem Versuch erhebliche Schwierigkeiten erwachsen. Einerseits von seiten der Leitung der sozialdemokratischen Partei in Tirol, der Unterguggenberger seit Jahren angehört, obgleich er, wie er immer betonte, kein Marxist ist. Die sozialistischen Parteiführer wollen in Tirol, wie überall, von der Freigeldlehre nichts wissen, und haben den Bürgermeister oft gedrängt, von dieser fragwürdigen, im Parteiprogramm nicht vorgesehenen Schwundgeldsache abzustehen.

Äußere Widerstände und Kritik der Landesregierung

Unterguggenberger läßt sich aber nichts vorschreiben. Sehr viel ernsthafter ist der Widerstand, den die österreichische Nationalbank dem Notgeld von allem Anfang an entgegensetzte. Sie sieht in der Herausgabe dieses Papiergeldes durch die Gemeinde eine Verletzung ihres Banknotenprivilegs, und hat sogleich auf ein Verbot des Wörgler Geldes gedrängt. Dank verschiedener Eingaben und Rekurse an die Tiroler Landesregierung ist es dem Gemeinderat geglückt, die Durchführung des Verbotes aufzuhalten. Juristisch gesehen ist die Nationalbank wohl im Recht, sofern man die Wörgler Scheine als Geld betrachtet, obschon kein Gläubiger sich durch Zahlung in Schwundgeld als befriedigt erklären muß.

Geld oder kein Geld?

Ob es freilich notwendig und klug ist, dieses Experiment zu unterbinden, ist eine andere Frage. Sie wird vom zuständigen Referenten in der Landesregierung in Innsbruck, Hofrat Dr. B., einem theoretischen Gegner der Freigeldlehre, eher verneint. Er kennzeichnet die Schwundscheine als eine Art unverzinsliche Schuldverschreibungen der Gemeinde, die einer verkappten 12prozentigen Umsatzsteuer unterworfen sind. Er sieht, wie er das auch in einem Gutachten zu Händen der Regierung näher ausführte, in dem Versuch der Wörgler Selbsthilfe ein schönes Zeichen des wiedererwachsenden Gemeinsinns und anerkennt die günstigen Wirkungen.

Seine Kritik richtet sich gegen die Deckung, die ungenügend sei. Das Depot der 12.000 Schilling sollte nach seiner Meinung der schon zu drei Vierteln eingefrorenen Raiffeisenkasse entzogen werden, da es Gefahr laufe, dort immobil zu werden, womit dann die Deckung dahinfiele. Diese sollte bei einer Bank in Innsbruck, oder bei der Nationalbank selbst angelegt werden, und zwar auf ein Sperrkonto, wo es nicht wieder ausgeliehen werden dürfte, und somit auch keine Zinsen einbrächte, so daß keine Vermehrung der Zahlungsmittel stattfände und jede Inflationswirkung ausgeschlossen wäre. Falls Wörgl mit dieser Änderung einverstanden wäre, könnte er keinen zwingenden Grund für die Aufrechterhaltung des Verbotes sehen.


Die Gruppe der Freiwirtschaftler rund um
Michael Unterguggenberger (sitzend, 2.v.l.)
Foto: Gemeinde Wörgl

Jedenfalls sei das Wörgler Notgeld eine ungleich harmlosere Sache als die Kreditexpansion zahlreicher anderer Institute, die keineswegs eine so rigorose Behandlung durch die Behörden gefunden hätten, wie man sie der Aktion der Gemeinde Wörgl unter Hinweis auf den Buchstaben des Notenbankstatutes zuteil werden ließ.

Ansteckende Vernunft

Ein Umstand, der vermutlich die Nationalbank zu schärferem Vorgehen veranlaßt, ist das Umsichgreifen des Experiments. Am 1. Januar hat die Nachbargemeinde Kirchbichel, eine ebenfalls stark industrielle Gemeinde von 3.000 Einwohnern, ihrerseits Schwundgeld ganz nach dem Wörgler Muster im Betrag von vorläufig 3.000 Schilling in Umlauf gebracht. Die Scheine der beiden Gemeinden gelten beiderorts. Vier weitere Tiroler Gemeinden, Hopfengarten-Markt und -Land, Brixen und Westendorf, Ortschaften mit zusammen etwa 16.000 Einwohnern, haben ebenfalls grundsätzlich die Ausgabe von Schwundgeld beschlossen, wollen aber noch abwarten, wie sich der Konflikt zwischen Wörgl und der Nationalbank erledigt. Wörgl ist inzwischen zu einem Mekka aller Freigeldler geworden. Aus den andern Teilen Österreichs und vor allem aus der Schweiz pilgern sie hin, um die erste, wenigstens teilweise, Verwirklichung ihrer Doktrin sich anzusehen.

Ein Riesenbriefwechsel, Anfragen aus aller Welt, sammelt sich auf dem Schreibtisch des Bürgermeisters, der weder französisch noch englisch versteht und einen besonderen Übersetzungsdienst einrichten mußte. Besonders starkes Interesse zeigt der bekannte amerikanische Nationalökonom, Irving Fisher, der einen in Genf weilenden Mitarbeiter in spezieller Mission nach Wörgl sandte. Als ich Anfang April dort war, traf ich ebenfalls auf eine Dozentin der Nationalökonomie der Yale University, mit der ich zusammen von Geschäft zu Geschäft zog. Aber auch die Vertreter der okkulten Wissenschaften, die Astrologen, interessieren sich für Wörgl; sie erkundigten sich nach dem genauen Geburtsdatum des Bürgermeisters, das auf den 15. August 1884 fällt, und stellten ihm ein Horoskop, das dem natürlich im Zeichen des Löwen Geborenen sehr viel, durch zähe Energie zu erkämpfenden Erfolg verspreche, und infolge einer besonderen Konstellation des Neptuns auf eine Berufung zur Überwindung des Metallismus (Goldwährung) hinweise. Unterguggenberger steht diesen Eröffnungen recht skeptisch gegenüber.

Schlußfolgerungen

Daß dieser Zustrom von Wißbegierigen sich für Wörgl auch wirtschaftlich günstig auswirkt, ist selbstverständlich. Ebenso wichtig aber scheint mir ein rein psychologisches Moment: Der Wörgler Bürger ist sich bewußt, daß in seiner Gemeinde etwas gegen die Krise geschieht, daß man nicht einfach resigniert oder Hilfe vom Staat erwartet – der Staat erscheint hier eher in Gestalt der Nationalbank als der Störenfried –, ja daß der Wörgler Versuch in der Welt Beachtung gefunden hat und daß sehr ernsthafte Gelehrte ihm grundsätzlich zustimmen.

Dies alles gibt dem Wörgler Bürger ein moralisches Plus. Es ist dies ein irrationales Moment, das in einer Wirtschaftsrechnung unmittelbar nicht aufscheint, daß zu übersehen auch vom Standpunkt der Ökonomie dennoch ein Fehler wäre. Ein objektives Urteil muß also zugeben, daß der Versuch für die Gemeinde Wörgl von Vorteil gewesen ist.

Wer sind die Leidtragenden?

Es liegt nahe zu sagen, es komme einfach darauf hinaus, daß die Arbeiter und Angestellten und vor allem die Gewerbetreibenden, eine Summe von kleinen Verlusten freiwillig trügen, die dann als Gewinn bei der Gemeindekasse aufscheinen. Diese Betrachtung wäre aber einseitig. Sie übersieht, daß die Gemeinde nicht bloß aus einigen Funktionären besteht, sondern aus der Gesamtheit aller Bürger, und daß ein Zusammenbruch der Gemeinde alle mitreißt.

Es ist deshalb sehr wohl möglich, daß sich die kleinen Opfer, die da gebracht werden müssen, auch rein wirtschaftlich durchaus rechtfertigen. Man denke an die früher besprochenen fruchtbaren Anlagen, besonders daran, daß die Asphaltierung der Hauptstraße ohne das Schwundgeld nicht möglich gewesen sein soll, und setze dann die mannigfachen Vorteile ein, die aus diesen Verbesserungen für alle Bürger, vor allem aber für die an der Hauptstraße gelegenen Geschäfte sich ergeben. Daß die allerdings recht bedrückenden Schulden an die Sparkasse in Innsbruck rascher oder einwandfreier ohne das Schwundgeld abbezahlt worden wären, erscheint als äußerst unwahrscheinlich. Eine wenigstens teilweise Verwertung der dank des Schwundgeldes einfließenden Mehreinnahmen der Gemeinde, besonders der Steuerrückstände, zur Begleichung der Sparkassenschulden, wofür gewiß manches spräche, sei unmöglich gewesen, weil dies dem ganzen Sinn der Nothilfeaktion widersprochen hätte.

Was an Notgeld einging, mußte wiederum unmittelbar in den Dienst der Fürsorge und der Arbeitsbeschaffung gestellt werden. Andererseits konnten die Gewerbetreibenden ihre Steuerschulden vermutlich vor allem deshalb entrichten, weil dank der 100.000 Schilling, die für Neuinvestitionen ausgegeben wurden, sich ihre wirtschaftliche Lage gebessert hatte. Zu beanstanden ist natürlich die enorme Verschuldung der Gemeinde an sich, die auf Sünden früherer Zeiten zurückgeht und sich leider bei österreichischen Gemeinden vielfach findet. Neben Wörgl sollen auch andere industrielle Tiroler Gemeinden, die unter der Wirtschaftskrise noch mehr leiden, wie die auf Landwirtschaft eingestellten Gemeinwesen, mit der Verzinsung ihrer Darlehen in Rückstand stehen. Eine Vermehrung der Zahlungsmittel hat zweifellos stattgefunden. Nach der herrschenden Geldlehre müßte sich daraus eine inflationistische Wirkung ergeben, unabhängig davon, ob die zusätzlichen Kredite für wirtschaftlich zweckmäßige oder unzweckmäßige Unternehmungen verwendet wurden; eine Auffassung, die bekanntlich sehr umstritten ist. Eine Steigerung der Preise in Wörgl ist nun aber nicht festzustellen.

Daß die gemachten Neuinvestitionen wirtschaftlich zweckmäßig waren, wird man geneigt sein zu bejahen, wenn auch ein endgültiges Urteil hierüber erst in einem Zeitpunkt möglich sein wird, wo sich rückblickend die Rentabilität der Anlagen wird errechnen oder wenigstens schätzen lassen; und den Theoretikern, die jede Vermehrung der Zahlungsmittel verwerfen, wäre zu sagen, daß der Wörgler Versuch weitergehen könnte, auch wenn den Vorschlägen des Innsbrucker Referenten auf Stillegung der Deckung Folge geleistet würde.

Silvio Gesell, re., Begründer der Freiwirtschaftslehre

Es wäre deshalb durchaus möglich, daß auch eine genaueste Analyse [die besonders noch die Frage der auswärtigen Verschuldung der Geschäftsleute zu prüfen hätte] zum Schlusse käme, daß es Leidtragende in Wörgl nicht gibt.

Das Wunder von Wörgl

Es wäre dann das Wunder geschehen, daß wirtschaftliche Werte aus Nichts entstanden wären. Das scheint unmöglich, allerdings nur, sofern man einen guten Gedanken, eine gute Organisation und tätigen Gemeinschaftssinn als ein wirtschaftliches Nichts betrachtet, eine Auffassung, die vielleicht doch nicht als der Weisheit letzter Schluß zu gelten hat.

Mit Schlußfolgerungen aus dem Verlauf des Wörgler Versuchs auf den Wert der Freigeldlehre in ihrer Gesamtheit ist freilich Vorsicht am Platz. Wörgl arbeitet heute mit zwei Geldsystemen, von denen das eine, das Schwundgeld, durch den amtlichen Schilling und somit letzten Endes durch den freilich ebenfalls schwindenden Goldschatz der Nationalbank gedeckt ist. Wie sich die Dinge gestalten würden, wenn eine Gemeinschaft ausschließlich Schwundgeld zirkulieren ließe, darüber kann meines Erachtens der Wörgler Versuch keine bindende Auskunft geben. Nach der universalistischen Lehre ist das Geld nach seinem Stufenwert zu unterscheiden. Der höchsten Stufe entsprächen die Banknoten der Nationalbanken, der volkswirtschaftlichen Stufe die Wechsel, Schecks, Buchungen großer Bankhäuser und Firmen. Die Wörgler Arbeitsscheine stellen dagegen eine Geldschöpfung auf der Stufe der Gemeinde dar, welche unter der Bürgschaft des Geldes höherer und höchster Stufe [Banknoten] stehen, und der ganze Versuch leistet den Nachweis, daß eine solche Geldschöpfung für den rein lokalen Umkreis in außerordentlichen Verhältnissen nennenswerte Vorteile haben kann.

1933 - 2006 : Die Lehren der Geschichte

Die Rückseite der Noten ist mit folgender Inschrift versehen: An Alle! Langsam umlaufendes Geld hat die Welt in eine unerhörte Wirtschaftskrise und Millionen schaffender Menschen in unsägliche Not gestürzt. Der Untergang der Welt hat [rein wirtschaftlich gesehen] seinen furchtbaren Anfang genommen.

Es ist Zeit durch klares Erkennen und entschlossenes Handeln die abwärtsrollende Wirtschaftsmaschine zu retten, damit die Menschheit nicht in Bruderkriege, Wirrnisse und Auflösung getrieben werde. Die Menschen leben vom Austausch ihrer Leistungen. Der langsame Geldumlauf hat den Leistungsaustausch zum großen Teil unterbunden und Millionen arbeitsbereiter Menschen haben dadurch bereits ihren Lebensraum im Wirtschaftsgetriebe verloren. Der Leistungsaustausch muß daher wieder gehoben und der Lebensraum für alle bereits ausgestoßenen wieder zurückgewonnen werden. Diesem Ziel dient der Arbeitsbestätigungsschein der Marktgemeinde Wörgl: Er lindert die Not, gibt Arbeit und Brot.

PS: Sollte die Zinswirtschaft beibehalten werden, prophezeite Silvio Gesell nach dem Ende des Ersten Weltkriegs einen noch furchtbareren Krieg innerhalb der nächsten 25 Jahre. Er hat recht behalten – und der Krieg hat seitdem nie mehr aufgehört. pps

Links: http://www.unterguggenberger.org/index.php
http://www.gandhi-auftrag.de/plus5prozent.htm
http://www.ein-besseres-leben.de/q9206.html

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