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Abschiedsbrief

Menschenrecht? Recht auf Arbeit? Recht auf ein Dach überm Kopf? »Die Würde des Menschen ist bestenfalls ein Konjunktiv!« [PPS als Dr. Helmut Zilk]

Sehr geehrter Herr Klimek!

Mein Kaffeehäferl mit dem Bildnis von Che Guevara ist verschwunden. Ich vermisse es. Lange hat es mir treu gedient, jetzt ist es weg. Zur Zeit trinke ich meinen Kaffee aus einem Leninhäferl. Schmeckt lange nicht so gut wie aus dem Che Guevara Häferl. Das Leninhäferl habe ich früher nur zum Wodkatrinken benutzt. Besser als Granderwasser, glauben Sie mir. Ich vermisse auch noch anderes. Die Gespräche mit den Mitarbeiter/innen, die Kaffeepausen mit Guglhupf, Marmorkuchen oder anderen leckeren Dingen der Mehlspeiskunst. Das Geräusch des Kopierers am Gang, das Läuten und Klingeln der Telefone, das Rauschen des Wassers am Scheisshaus, aber vor allem vermisse ich das Lachen in den Zimmern, auf den Gängen. Nun das Lachen ist den meisten Kolleginnnen schon längst vergangen. Verständlich. Darum sind auch die Türen der Büros, die früher meines Wissens nur bei ganz wichtigen Angelegenheiten geschlossen wurden, alle zu. Schotten dicht. Einigeln. Innere Emigration. Friedhofsruhe. Wegschauen? Wohin schauen. Nach gegenüber, wo Khaled seinen nackten,  behaarten Oberkörper aus dem Fenster hängt und runter auf die Straße schreit: »Apfel, Apfel.« Fatima hat beim Hofer das Klopapier vergessen, muß also nochmals hin, Khaled will auch noch frische Äpfel haben. Obst ist gesund und Klopapier erforderlich nach der Einnahme von vielem Obst.

Nach jeweils 50 Minuten ununterbrochener Bildschirmarbeit muß eine Pause oder ein Tätigkeitswechsel im Ausmaß von jeweils mindestens zehn Minuten erfolgen. Pause oder Tätigkeitswechsel können jeweils in die anschließende zweite Stunde verlegt werden, sofern der Arbeitsablauf dies erfordert.

So steht’s zumindest im Gesetz. Diese Pausen haben wir meist gesetzwidrig als Tätigkeitswechsel zusammengelegt und so unsere Zusammenkünfte auf zwanzig, manchmal zweiundzwanzig Minuten ausgedehnt. Arbeit ist keine liegengeblieben. Aber das wissen Sie ja selbst am besten. Es wurde gerackert, geruachelt, barabert, gehackelt [alles österreichische Dialektausdrücke für schwer arbeiten] zehn, zwölf Stunden, manchmal noch länger. Jeden Tag. Jede/r Einzelne hätte den Stachanow-Orden verdient. Alles nur um die Fusion durchzuziehen, immer mit der Aussicht daß die eigenen Tage gezählt waren und man selbst für zu leicht befunden worden war. Zu leicht befunden wurden die meisten BMG-Mitarbeiter/innen. Welches Wissen, welche Erfahrung, welche hervorragenden Qualifikationen wurden da fast von einem Tag auf den anderen aus dem zweiten Stock geworfen. Runter zum Hofer. Zu den Aldibrüdern. Förderer der extremen, deutschen Rechten. Finanziert durch türkische, ex-jugoslawische, polnische, slowakische Mitbürger. Favoriten ein Schmelztiegel. Gute Ausländer, böse Ausländer. Hier EU, da Rest der Welt. Aber die meisten Menschen wissen nicht, was sie finanzieren mit einem Hofer-Einkauf. Andere wissen es und kaufen trotzdem, sparen, sparen, sparen. 

Stille Nächte in Favoriten

Favoriten, i faloß di, i geh noch Meidling ins Exil [Favoriten ich verlasse dich, ich gehe nach Meidling ins Exil] sang Fritz Nussböck vor vielen Jahren, und das Lied fällt mir gerade jetzt ein. Ich verlasse Favoriten, die Erlachgasse, den zweiten Stock und das Büro, zusammengeräumt, staubgewischt, kurz geordnet.

Anläßlich des Gesprächs über die Auflösung meines Werkvertrages vor rund einem Monat, teilten Sie mir mit, daß Sie die großen Brocken der Fusion endlich erledigt hätten und nun mit der Erbsenzählerei beginnen müßten. Ich fiel nicht aus allen Schoten, da mir von Anfang an klar war, daß ich stets nur ein Erbslein war. Die schmerzvollen Maßnahmen, die Herr Steinkamp und Herr Unterholzner versprochen hatten, würden natürlich nicht an den Erbsen vorbeigehen. Ich nehme Ihnen nicht übel, daß Sie meinen Vertrag nicht schriftlich gekündigt haben. Sie haben ja nicht einmal den Großteil der Mails ehemaliger BMG-Mitarbeiter und meine Mails schon gar nicht, beantwortet. Daraus schließe ich, daß Sie zum Schreiben ein gestörtes Verhältnis haben. Vermutlich auch zum Reden, denn eher bekommt man beim Papst einen Termin als bei Ihnen. Klar Zeitdruck, Überlastung, Überarbeitung, so viel Verständnis haben wir alle schon aufgebracht. Aber ehrlich, so großen Zeitdruck, daß Ihnen keine Zeit zum Grüssen blieb? Ein Teil Ihrer Mannschaft, die sie aus dem ersten Stock mitgenommen haben, ist da übrigens Ihrem schlechten Beispiel gefolgt. Gut, japanische Höflichkeit lernt man nicht von heute auf morgen, aber ein »Guten Morgen« oder wenigstens ein kleines »Hallo« hätte es auch getan.

Ein Hund namens Bossi

Ihren Hund haben Sie immer gut behandelt, also hab ich mir gedacht, daß Sie im Grunde Ihres Herzens kein schlechter Mensch sind, vielleicht ein von den Bossen und den Aktionären Getriebener, aber auch nur ein Opfer der Globalisierung. Mein Vertrag war Ihnen zu schwammig, es war nicht exakt definiert, welchen Aufgabenbereich ich habe und so weiter.  Gerne hätte ich mit Ihnen oder Ihrem Geschäftsführer ein einziges Mal ein paar Minuten über mich geredet. Ihnen erzählt, über mich, die Firma, über Erfolge und Niederlagen. Vor rund dreißig Jahren hat mir Stephan Friedberg, damals Geschäftsführer der Ariola, so hieß das früher, einen Plattenvertrag gegeben. Zwölf Alben habe ich produzieren dürfen, ja dürfen, denn meine Lieder waren nicht das was die Musikindustrie als Bestandteil der kapitalistischen Weltordnung haben will. Aufsässig, widerborstig, schwer verdaulich, mit dem Vokabular der Straße und viel zu direkt. Die Dinge beim Namen nennen, nicht blöd herumreden. Sicher keine Top-Seller, aber Long-Seller. Über die Jahre hinweg hat auch das der Firma satte Gewinne gebracht. Konzerte im ganzen deutschen Sprachraum. Totgeschwiegen im öffentlichen Rundfunk. Politisch angefeindet und ins Terroristeneck gestellt. Sie sollten sich ein paar meiner Lieder anhören. Vielleicht im Auto, da ist der Zeitdruck ... Nein nicht im Auto, da fehlt die Konzentration auf die Texte.

Dialekt? Sie sind doch schon lange genug in Österreich, um keine Schwierigkeiten mit meinen Dialekttexten zu haben. Oder? Gern erkläre ich das eine oder andere Wort bei Verständnisschwierigkeiten. Margaret Thatcher feierte ihren 80. Geburtstag mit 670 Gästen. Die ehemalige konservative britische Premierministerin Margaret Thatcher ist zu ihrem 80. Geburtstag von politischen Freunden und Gegnern als historische Persönlichkeit gewürdigt worden. Königin Elizabeth II. und der sozialdemokratische Premierminister Tony Blair standen an der Spitze der Gästeliste der offiziellen Feierstunde in London.

Fünf vor Zwölf

05 vor 12, nannte ich eines meiner Alben. Aufgenommen in London, in den Alvic-Sound Studios mit der Band von Kevin Coyne. Bob Ward war Produzent. Danny Brown der Bassist, Später war er mit der Band The Fixx unterwegs. Heute arbeitet er in einer Fischfabrik an der Ostküste. Bauch auf, Gedärme raus. Der Keyboarder Paul Wickens aber klopft noch immer bei Paul McCartney in die Tasten. Sie suchen den Zusammenhang mit Thatcher. Na, die Mutter des Neoliberalismus, das was Sie und Herr Unterholzner hier in Österreich und Ihre Kollegen weltweit in die Praxis umsetzen. Dieses Stück Dreck hat in den Achtzigerjahren diese Art von Politik begonnen, die Gewerkschaften zerschlagen, die Kommunen ausgehungert, die Bahnen privatisiert. Jeden Tag wenn wir ins Studio fuhren, mußten wir an der Northend Road warten, weil Bergarbeiter demonstrierten. Wir warteten gerne, hoben die Faust und schrien: »Hoch die internationale Solidarität«. Abends im Pub beim dritten Bier haben wir die Thatcher und ihre Scheißpolitik verflucht. Um ein Haar hätte es die IRA geschafft, um ein Haar. Diese sind dann der Thatcher schnell ausgegangen, aber das hat man bei ihrer Geburtstagsfeier nicht gesehen. 

»Ich hab mich in dir verloren.« 

André Heller hat einst gesungen: »Ich hab mich in dir verloren.« Ich verlier mich in Erinnerungen. Ich weiß, der Zeitdruck ... Erinnerungen kann uns niemand nehmen. Und ich erinnere mich gerne. An verlorene und gewonnene Kämpfe. Abfangjäger, Arena, Gassergasse, Zwentendorf, Hainburg. An Nächte voller Diskussionen, Alkohol, Rauch und Sex. Tatsächlich, ich hatte einmal Sex, genau genommen sogar öfters. Heute bin ich befreit von der Geißel der Potenz. Es bleiben zehn Finger und eine Zunge. Das reicht. 

Irgendwann hat mich die EDV so interessiert, daß ich neben meiner künstlerischen Tätigkeit durch den damaligen Geschäftsführer Stephan Friedberg für die EDV engagiert wurde. Drei PCs standen in der Hofmoklgasse in den Büros, und zwei Drucker. Ein paar Terminals gab es, die an einem Rechenzentrum in Kopenhagen hingen. Bits and Bytes waren für die meisten Menschen noch Wesen von einem anderen Stern. 1990 Umzug in die Erlachgasse. Das erste Netzwerk wurde installiert, die PCs wurden mehr, die Mitarbeiterinnen auch. Die Programme wuchsen, die Anforderungen auch.

Als die Kollegin aus der Lizenz stirbt, springe ich dort ein. Als man in der Buchhaltung mit dem erhöhten Arbeitsaufkommen nicht mehr nachkommt, springe ich dort ein. Kaum eine Abteilung habe ich ausgelassen, mitgelacht, mitgeweint. Höhen und Tiefen, wie überall. 1997 mußte ich aus gesundheitlichen Gründen alle Live-Konzerte für immer absagen. Das hat weh getan. Meine Psychiaterin hatte alle Hände voll zu tun, meine Frau auch. Seither lebe ich allerdings viel ruhiger. Motto: Gleiten statt Hetzen.

Ramona

Der Gleiter kommt auch zum Ziel. Schade, daß wir den Hofrat der niederösterreichischen Landesregierung nicht mehr befragen können über die Vorteile des Gleitens. Dieser besuchte wöchentlich einmal, am Dienstag [das ist der Tag an dem hier in der Firma die Meetings abgehalten werden] ein Etablissement am Gürtel. Dort verlangte er immer die gleiche Liebesdienerin. Irina war ihr Name. Sie ging mit ihm auf’s Zimmer. Er bat sie, sich auszuziehen und zog sich selbst aus. Er berührte sie nie. Er schaute sie nur an. Manchmal rauchte er dabei eine Zigarette, machte dazu einen Schluck aus einem mitgebrachten Flachmann. Aus seiner schwarzen Ledertasche entnahm er dann eine Eisenkurbel, wie sie vor langer Zeit zum Anwerfen von Autos verwendet wurde. Diese war fein geschliffen und schon eingeölt. Er legte sich auf den Bauch, und Irina mußte ihm die Kurbel in das Arschloch schieben. Während sie zu kurbeln begann, sang sie: »Ramona. Ramona, zum Abschied sag ich dir Good Bye.« Sie sang: Ramona. Während sie sang, begann der Hofrat zu fluchen, verfluchte Ramona, verfluchte alle Weiber dieser Welt und verfluchte die niederösterreichische Landesregierung. Fünf Minuten und viele Umdrehungen später, schrie er verzweifelt, als er einen gewaltigen Orgasmus hatte. Die Kurbel wurde abgewischt, in der Aktentasche verstaut. Beim Anziehen pfiff er leise die Bundeshymne, zahlte und versprach sein Wiederkommen für den nächsten Dienstag. Also auch mit dem Gleiten kommt man zum Ziel, das wollte ich damit sagen. Ich persönlich hetze ja niemand, drum hab ich so lange auf Ihre Antwort gewartet.

Eigentlich wollten Sie sich bei mir melden, ob, wie und unter welchen Bedingungen eine Zusammenarbeit weiter möglich wäre. Also eine Bringschuld Ihrerseits, weil Sie mir ja Nachricht bringen sollten. Haben Sie aber nicht, vermutlich wegen Zeitdruck, Überlastung, Überarbeitung. Ich habe mich nicht verabschiedet, weil ich ja noch Ihre Antwort abwarten wollte, aber ich denke, daß ich da noch lange warten müßte. So will ich es halt auf diesem Wege machen. Abschied von Ihnen, dem Herrn Geschäftsführer und allen Mitarbeitern. Mit einer kleinen Abschiedsrede, die ich gerne im Sozialraum gehalten hätte, aber nun in Briefform in den Raum stelle. O mein Karl, ist das eine schöne Formulierung. Eine Frage wird in den Raum gestellt, ja warum, was macht sie denn da, bleibt sie, geht sie weg, sieht sie fern, darf sie schon wählen, macht sie sich in die Hosen?

Die ultimative Befreiung

Also, wie Sie und Ihr Chef, der Herr Geschäftsführer Unterholzner diese Fusion durchgezogen haben, hat mich schon etwas verwundert. Fusion ist in diesem Fall eigentlich das falsche Wort. Feindliche Übernahme. Okkupation mit anschließender Besatzung und Kriegsrecht kommt da schon eher hin. Ein Manager ist ja heute nicht einfach eine Führungspersönlichkeit, die mit Sachverstand, Einfühlungsvermögen und sozialer Verantwortung einen Betrieb führt, sondern General. Nicht ohne Grund heißen die Manager in der obersten Führungsebene Generalmanager. Sie und der Herr Geschäftsführer führen diesen Betrieb wie eine Armee-Einheit. Bedingungsloser Gehorsam der Untergebenen, früher Mitarbeiter, ist Grundvoraussetzung. Insubordination wird mit sofortiger Entlassung geahndet. Mitarbeiter-Motivation wird ersetzt durch Kadavergehorsam. Die Konkurrenz ist nicht länger Mitbewerber, sondern Feind, Feind, Feind. Die Front ist draußen bei den Händlern, den Supermärkten, den Ketten. Ein neues Produkt zu verkaufen, erfordert den totalen Krieg. Wer nicht mit uns ist, ist gegen uns. So oder so ähnlich waren die Worte von Herrn Unterholzner anläßlich einer Mitarbeiterversammlung im großen Konferenzraum. 

Und genau das haben Sie und Herr Unterholzner bei der fusionierten SonyBMG in die Praxis umgesetzt. So hat sich das Betriebsklima in der Erlachgasse nach der Fusion von Sony und BMG blitzartig und radikal geändert. Vom familiären Betrieb zur Kaserne. Die Belegschaft wurde halbiert und alle Mitarbeiter/innen über vierzig mit wenigen Ausnahmen gekündigt. Sonderbarerweise in erster Linie vormalige BMG-Mitarbeiter/innen, ja auch zwei Sony-Betriebsräte, die ebenso wie die BMG-Betriebsräte ihre Funktionen zurücklegen mußten. Pardon, freiwillig zurückgelegt haben dürfen. Alle Kündigungen einvernehmlich selbstverständlich, macht einen besseren Eindruck in der Öffentlichkeit. Und die brauchen wir. Wir - die Musikindustrie - brauchen die Öffentlichkeit mehr als alles andere. Die Industrie, meine Damen und Herren; und nun rappen wir zeitgemäß das Horst Wessel-Lied.

Inzwischen haben Sie eine Personalfluktuation, die ihresgleichen sucht. Wie viele Mitarbeiter haben Sie neu einstellen müssen, weil das Know How der Gekündigten fehlt? Nennen Sie doch Zahlen, oder haben Sie denen nur freie Werkverträge gegeben, damit sie im Headcount nicht aufscheinen. Gut, daß Sie im Sozialraum, den Sie bis jetzt nicht abgeschafft haben, einen Granderwasserautomaten aufgestellt haben. Da kommt ein Bluff zum anderen. Haben Sie sich je über das Granderwasser informiert, wissen Sie, daß sein einziger bewiesener Erfolg die vollen Kassen des Erzeugers sind? Alle anderen behaupteten Wirkungen sind Wunschträume. »Es handelt sich beim Grander-Wasser um aus dem Esoterik-Milieu stammenden pseudowissenschaftlichen Unfug, dessen kommerzielle Nutzung an gewerbsmäßigen Betrug grenzt.« Zitat Dr. Eder, der das Wasser wissenschaftlich untersucht hat. Ein Liter Granderwasser kostet rund 12 Euro. Zum Vergleich: Um diesen Betrag kann man 36 Liter bestes Mineralwasser kaufen. Wunder oder Wucher? Was so teuer ist, kann nicht wirkungslos sein, oder? Was für ein geniales Marketing.

Glauben Sie ja nicht, daß ich enttäuscht oder verbittert bin. Es hat mich sowieso gewundert, daß Sie meinen Vertrag nicht sofort gelöst haben. Als sozialkritischer Liedermacher, Schriftsteller, Gewerkschafter, ja Kommunist gar, muß ich ja ein rotes Tuch für Sie gewesen sein. War das der Grund, warum Herr Unterholzner es nicht der Mühe Wert gefunden hat, auch nur ein Wort mit mir zu wechseln? Seine Kämpfe mit dem Betriebrat in der Firma Sony waren ja in ganz Favoriten legendär. Übrigens, ich vermisse mein Che Guevara Kaffeehäferl immer mehr.

Vor zwanzig Jahren hätte ich in so einer Situation die Ballade von ana hoatn Wochn gesungen, mit Genuß auf die Eingangstüre in der Erlachgasse 130-134 geschifft, anschließend das Haus fluchtartig verlassen. Selbst auf die Gefahr einer Einweisung in die Psychiatrie. So wie damals, als ich vor das Funkhaus brunzte (brunzen = pissen), aus Solidarität zu dem Liedermacher Charly Kriechbaum der in der Argentinierstraße im Hungerstreik war, weil er wie viele andere kritische Österreicher von Ö3 nicht einmal ignoriert wurde. Ich wurde festgenommen und auf die Psychiatrie gebracht. Die Nacht in Gugging war nicht lustig - aber lehrreich, die künstlerische Ausbeute gewaltig. Lieder wie Leo und Ziaglroter Pavillon auf dem Album 05 vor 12 das Ergebnis. Und bis heute stehe ich seither in der Geisteskrankenkartei, obwohl der Verwaltungsgerichtshof in einem Urteil bestätigte, daß ich zu Unrecht eingewiesen wurde.

Nein, so wollte ich meine Zusammenarbeit nicht beenden. Deswegen, und meiner Freunde und Freundinnen wegen, bin ich geblieben, erste Reihe sozusagen, fußfrei in der Loge gesessen und habe mir angeschaut, wie das Theater abläuft. Wahrlich keine Komödie, sicher ein Drama. Ein Drama für die geschaßten Mitarbeiter. Genug Stoff für ein Drama für mich. Aber ich bin kein Dramatiker, also schreibe ich einen Roman. Früher habe ich über solche Themen Lieder geschrieben, doch in einem, ja sogar in mehreren Liedern lässt sich das nicht unterbringen. Gut schreib ich einen Roman. Schmelzwasser, die Geschichte einer Fusion, die Geschichte von dreißig Jahren Musikbusiness, die Geschichte von Ausgegrenzten, von aus politischen Gründen Totgeschwiegenen, die Geschichte von Gescheiten und Blöden, die Geschichte von Angepaßten und Widerspenstigen, die Geschichte von Gutmenschen und Bösmenschen. Wird auch das Wort Gutmensch heute abfällig und abwertend verwendet, tausendmal lieber bin ich ein Gutmensch, als ein Bösmensch oder ein Blödmensch.

Und hier ein erster ganz kurzer Ausschnitt aus "Schmelzwasser"

Das Allerwichtigste im Leben ist ein geregelter Stuhlgang. Menschen die unter hohem Zeit- und Erwartungsdruck stehen, nehmen sich selten Zeit, den angesammelten Dreck aus ihrem Körper zu entfernen, weil sie meist nur an eines denken. Den Profit. Wie erhöhe ich diesen, auf wessen Kosten kann ich sparen, vor allem ohne mir selbst wehzutun? Vor lauter Konzentration auf die Gewinnmaximierung vergessen diese Menschen auf die Entleerung ihrer Gedärme. Aus Zeitnot wässern sie zwischen zwei Terminen den Gummibaum in ihrem Büro, das spart den Weg zum Klo und zurück. Bedauerlicherweise häuft sich dadurch die Scheiße in ihren Körpern so lang an, bis sie selbst zu einem einzigen Stück Scheiße geworden sind. Dieses Stück Scheiße nennt man dann moderne Manager. Jung, dynamisch, asozial und rücksichtslos, mit einem einzigen Ziel. Nach oben. Kürzen, kündigen, ausgliedern.

Sobald  das Wort Betriebsrat fällt, ertönt ihr Ruf nach dem Exorzisten. Das Wort Solidarität verursacht ihnen Magenkrämpfe. Der Hinweis auf Mitbestimmung treibt ihnen den Schaum vor den Mund. Kurz, der Traum aller Aktionäre. 

Vorangestellt ist dem Roman ein Gedicht

fahrrad gegen mercedes
david gegen goliath
moral gegen kapital
tote kassieren keine zinsen

Wie gesagt, ein Roman, selbstverständlich ist jede Ähnlichkeit mit lebenden oder toten Personen rein zufällig. Und schicken Sie mir nicht Stapo, Verfassungsdienst oder Antiterroreinheiten. Die kenne ich alle schon. Startbahn West, Erdinger Moos, Zwentendorf, Hainburg. Ich bin kein Terrorist, nur ein genauer Beobachter, der seine Schlüsse zieht. Die echten Terroristen sind die, die immer alle anderen als Terroristen bezeichnen. Konstantin Wecker sagt im Willi unter anderem: »Keine Angst vor Nichts und vor Niemandem«. Und das sag ich auch. Alsdern, viel Spaß weiterhin, und nicht vergessen. Das Leben besteht nicht nur aus Arbeit. Noch eins. »Guten Tag« sagen, das tut nicht weh.

Trotzalledem, Guten Tag und Gott zum Gruß,
Sigi Maron

 

PS: Ja, und grüßen Sie mir Ihren Chef, den Herrn Geschäftsführer Horst Unterholzner, ganz, ganz herzlich, und er möge sich, wenn er einmal nicht weiter weiß, doch den Refrain der Ballade von ana hoatn Wochn zu Herzen nehmen. Das befreit. 

PPS: Ja, und extra für Herrn Marten Steinkamp hier noch ein Ausschnitt aus meinem Roman, ein ungeschriebener Brief an ihn von einer langjährigen Mitarbeiterin. Hab ich natürlich auch erfunden, völlig frei.

Sie dämpfte die halbgerauchte Zigarette aus und setzte sie sich an ihren PC, wischte gedankenverloren über die Tastatur, betrachtete ihre viel zu kurzen Fingernägel und begann dann die Tasten zu berühren. Erst nachdenklich, zurückhaltend, dann sich in immer größere Wut steigernd, hämmerte sie letztlich alles, was sich seit Monaten in ihr aufgestaut hatte, in Buchstaben und Worte. 

Sehr geehrter Herr Steinkamp! Letztes Jahr kurz vor Weihnachten waren sie bei uns in der Firma und haben uns präzise, ohne »Wenn und Aber« erklärt, daß ein erheblicher Teil der Mitarbeiter den Arbeitsplatz verlieren wird. Grund sei die Fusion von zwei Giganten der Musikindustrie, Sony und BMG. Bei beiden seien die fetten Jahre längst vorbei, weil sich sehr viele Menschen des Schwerverbrechens unerlaubter Downloads schuldig machen und damit nicht nur die Musiker, sondern vor allem die Aktionäre um ihr hart erarbeitetes Geld bringen. Möglich, daß dies eine der Ursachen ist. Möglich, daß diesen ewig gleichen Einheitsbrei niemand mehr hören will. Darf ich sie aber trotzdem fragen, wo das viele Geld geblieben ist, die Millionen und Abermillionen die die Musikindustrie jahrzehntelang mit überhöhten, heimlich abgesprochenen Preisen erzielt hat. Haben die Aktionäre das alles verpraßt, im Meer versenkt, am Lagerfeuer verbrannt?

Seit 34 Jahren - in Worten vierunddreißig - arbeite ich als Buchhalterin in dieser Firma. Manchmal habe ich mich über eigenartige Buchungen gewundert. Die Wirtschaftsprüfer haben alles für in Ordnung befunden, das sind gelehrte Leute, da darf man nicht zweifeln. Zweifeln darf ich aber an der neuen Art der Geschäftsführung die mit der Fusion einhergeht. Nach vierunddreißig Jahren nehmen Sie mir ohne »Wenn und Aber« meinen Arbeitsplatz. Vierunddreißig Jahre Erfahrung und Wissen werden freigesetzt, wie der Entzug der Existenz beschönigend bezeichnet wird.

Ihr neuer Statthalter ist der fünfte Geschäftsführer in meiner mit Zahlen gespickten Laufbahn. Haben Sie oder einer Ihrer tüchtigen Manager nachgedacht, was ich mit meinen 54 Jahren jetzt noch anfangen soll? Haben Sie jemals über Menschen nachgedacht? Die Buchhaltung wird ausgegliedert. Das haben irgendwelche rationalisierungswütige Sanierer in diesem Konzern beschlossen. Lassen Sie jetzt in Indien buchen oder in der Ukraine? Ukraine wäre gut, dort hat ja dieses Jahr der Eurovisions-Songcontest stattgefunden, da bietet sich dieses Land ja direkt an. Brauchen Sie überhaupt noch eine Buchhaltung? Sie zahlen - wie alle großen Konzerne - ja sowieso keine Steuern, da brauchen Sie ja eigentlich gar nichts aufzeichnen. Oder doch ein bisschen doppelte Buchhaltung, eine für die Steuer, eine für die Aktionäre. Interessant ist ja nur die Rentabilitätskurve. Bei einer Mitarbeiterversammlung in München haben sie gesagt, eine Rendite von 10 Prozent ist ein Schas im Wald, unter 15 Prozent geht überhaupt nichts. Sie sollten sich ein Beispiel am Chef der deutschen Bank, dem Herrn Ackermann, nehmen, der redet von 25 Prozent und mehr.

Was machen sie, wenn es keine Menschen mehr mit Arbeit gibt. Sie haben dann auch keine Konsumenten mehr. Spielen sie sich dann gegenseitig den Mist vor, den sie und ihresgleichen als Musik verkaufen möchten? Oder fusionieren sie dann mit einem Konzern  der pharmazeutischen Industrie. Als Brechmittel lassen sich ihre Produkte allemal noch verkaufen. Sozial ausgewogen werden die Personalreduzierungen sein, haben sie gesagt. Ihr Statthalter muß da etwas mißverstanden haben. Oder heißt ausgewogen, rausgewogen, und alle mit mehr als sechzig Kilogramm Körpergewicht müssen raus. Junge, nicht ganz so gut genährte Mitarbeiter dürfen bleiben? Jedenfalls hat Ihr Büttel alle Mitarbeiter über vierzig Jahren, nicht Kilo, gekündigt, nein, stimmt so nicht. Die Dienstverhältnisse wurden einvernehmlich gelöst. Klingt entschieden besser. Macht aber für uns keinen großen Unterschied. Der Job ist weg.

Je mehr Arbeitslose, desto höher die Gewinne. Für viele Menschen »nicht nachvollziehbar« sei das Verhältnis von Rendite und Beschäftigung, empfand Angela Merkel. »Eine Geschmacklosigkeit, eine Unfähigkeit«, wetterte CSU-Chef Edmund Stoiber. Das war der Kommentar der Kommunisten Merkel und Stoiber zur Aussage des Chefs der deutschen Bank. Der Bankchef hat angekündigt, die Rendite seines Unternehmens auf 25 Prozent zu steigern und zu dem Zweck weitere 6.500 Jobs zu vernichten. Ja, und? Gibt es einen deutschen oder europäischen Konzern, der etwas anderes tut? Hat Ackermann in der Vergangenheit etwas anderes getan? Machen Sie etwas anderes? Treiben Sie nicht die arbeitslosen Massen den Nazis und Rechtspopulisten in die Arme? Ist es Absicht? Haben die Industriellen schon wieder Ihre Kontakte zu den rechten Mördertruppen hergestellt, um den Rest der Bevölkerung besser kontrollieren zu können? Das Sozialsystem ist nicht mehr finanzierbar? Klar, wenn Konzerne wie Ihrer keine Steuern mehr zahlen, wenn der Rest der Gewinne in irgendwelchen, obskuren Stiftungen verschwindet. Klar, wenn das Kapital gar nicht mehr oder nur minimal besteuert wird. Freier Kapitalverkehr, überall auf der Welt. Noch nie ist so viel nichtproduktives Kapital in der ganzen Welt herumgeschoben wurden wie heute. Einziger Zweck: Spekulation. Umweltstandards, menschengerechte Entlohnung, Bildung, medizinische Versorgung, alles unnötige Belastung. Verursacht nur Kosten.

Schon mal gehört von der Tobin-Steuer? Die Tobin-Steuer würde wie ein Filter wirken: Sie hält das unerwünschte hot money zurück, ist aber durchlässig für Handelsgeschäfte und langfristige Investitionen. Spekulative Transaktionen [Überliquidität] werden abgebaut, Kapitalströme entschleunigt. Es geht darum, »Sand ins Getriebe« zu streuen (Tobin), nicht das Getriebe zum Stillstand zu bringen. Die Tobin-Steuer würde nicht nur die Finanzmärkte stabilisieren helfen, sondern sie könnte auch zu einer zentralen Quelle für die globale Armutsbekämpfung werden: Bei einem Steuersatz von 0,25% wären – selbst, wenn das Volumen der Devisentransaktionen um die Hälfte zurückginge - Einnahmen in der Höhe von 250 Milliarden Dollar zu erwarten. Für die Beseitigung der schlimmsten Armut und der gravierendsten Umweltschäden sind laut UNO jährlich 225 Milliarden Dollar nötig. Utopie?

Nein! Utopisch ist es, an das Gewissen der Reichen zu appellieren. Freiwillig wird niemand was abgeben. Ich gebe jetzt meine Schlüssel ab, putz mir noch einmal die Nase, werfe das benutzte Taschentuch in den Papierkorb, gieße zum letzten Mal den Gummibaum und verlasse das Haus für immer. Mit einem fröhlichen, selbstverfaßten Lied auf den Lippen, für das ich niemanden Tantiemen schulde, begebe ich mich nun auf das Arbeitsamt und reihe mich ein in die Schlange der Wartenden. Mit der Hoffnung, daß in absehbarer Zeit Sie und Ihresgleichen nur mehr als Staub die Erde verschmutzen werden, verbleibe ich. Ja, ich verbleibe. Ich verbleibe. Verbleibe.

 

Zur Person: Sigi Maron war Werkvertragnehmer, ist Musikschaffender und Schriftsteller. Er denkt selbst.

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