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Urlaub bei Freunden

Wo Bomben explodieren, flüchtet die Freiheit - und mit ihr die Kunst. Was bleibt, ist der angeblich freie Markt.

Wien (10. Juli 2005) - Man muß Europa täglich neu erklären«, erklärte uns die österreichische Außenministerin kurz nach der Ablehnung der EU-Verfassung durch die Wahlberechtigten in Frankreich und den Niederlanden. Die Menschen draußen und daheim an den Fernsehgeräten haben einfach noch nicht erkannt, welche Vorteile die EU in ihrer gegenwärtigen Verfassung bringt – in erster Linie für die Millionäre. Millionäre legen keine Bomben.

»Leichter geht ein Kamel durch ein Nadelöhr als ein Reicher in das Himmelreich«, rief vor bald zweitausend Jahren ein gewisser Jesus von Nazareth. Mit seiner Lehre vom selbstbestimmten Menschen, der autonome Gewissensentscheidungen trifft, vollzog er den Schritt vom blinden Gehorsam zur Freiheit. Für viele ein zu großer Schritt – bis heute. Sie lassen sich lieber weiter Sand in die Augen streuen. Aber vermag die EU uns zu erlösen? Oder sitzt gar der große Lügner auf dem Thron und führt uns wie die Schafe alle in den Abgrund?

Jenseits semantischer Erbärmlichkeit

»…denn die Kunst ist eine Tochter der Freiheit«, schrieb Friedrich Schiller in seiner Abhandlung Über die ästhetische Erziehung des Menschen, die der Kunst eine entscheidende Rolle auf dem Weg zur politischen Freiheit zuweist, und zwar durch die Ausbildung des Empfindungsvermögens jenseits der puren Aufklärung des Verstandes.

»Schönheit ist, durch welche man zu der Freiheit wandert«, sagt Schiller. Schönheit sei mehr als gefällige Dekoration. »Die Kunst ist eine Tochter der Freiheit, und von der Notwendigkeit der Geister, nicht von der Notdurft der Materie will sie ihre Vorschrift empfangen. Jetzt aber herrscht das Bedürfnis und beugt die gesunkene Menschheit unter sein tyrannisches Joch. Der Nutzen ist das große Idol der Zeit, dem alle Kräfte fronen und alle Talente huldigen sollen. Auf dieser groben Waage hat das geistige Verdienst der Kunst kein Gewicht, und, aller Aufmunterung beraubt, verschwindet sie von dem lärmenden Markt des Jahrhunderts.«

Klare Worte - ausgesprochen vor mehr als zweihundert Jahren -, heute aktueller denn je. Unverständlich nur für jene, die dem »Jargon semantischer Erbärmlichkeit, dem alltäglichen Denglisch und Talk-Gestammel« [Hermann Glaser] wehrlos ausgeliefert sind. Zugemüllt mit Vormittags-, Mittags-, Nachmittags- und Vorabendserien, verblödet von angeblichen Nachrichten, in Wirklichkeit kaum mehr als eine willfährig zitierte Ansammlung von Vermutungen aus Regierungskreisen, bleibt dem aufgeklärten Menschen nur mehr der Beitritt zum organisierten Erbrechen.

Pressefreiheit und Menschenrechte

Soweit die Theorie. Nun noch kurz zur Praxis. Die türkische Justiz wirft mißliebige Denker in den Kerker. Vor einigen Wochen wurde die österreichische Journalistin Sandra Bakutz [Radio Orange] auf diese Weise ihrer Freiheit beraubt. Kein Einzelfall - hat Einsperren weltweit eine lange Tradition. Erst vor wenigen Tagen verurteilte ein US-Gericht die amerikanische Journalistin Judith Miller zu vier Monaten Haft, weil sie auf dem Redaktionsgeheimis bestand und ihre Quelle nicht nennen wollte. Erpresserfreiheit statt Pressefreiheit?

Als weiland die VolxTheaterKarawane anno domini 2001 gen Genua zog, um gegen die Aufteilung der Welt unter den Reichen zu protestieren, durften ihre Mitglieder ebenso dunsten, wie es hellenische Rechtgläubige Gerhard Haderer wegen seines Jesus-Buches zugedacht hatten. Haderer wurde rechtzeitig freigesprochen und mußte nicht im Hochsicherheitstrakt auf Knastos schmachten.

Sanktionen? Aber wo! Die Türkei muß gerettet werden - zumindest als Urlaubsland. Griechenland ist bereits genug gestraft, und Italien kann man mit Ausschluß nicht mehr drohen. Das ist eben die Politik, der wir alle unterliegen. [Oder war es doch die Wirtschaft oder das Kapital?] Man muß den Menschen Europa wirklich täglich neu erklären. Irgendwann werden sie es schon verstehen – zumindest einen Tag lang.

PS: Die Türkei, Griechenland, Italien und Großbritannien überlegen den Beitritt zu den USA, wie gut uniformierte Greise melden.


Welcome to the land of the brave and the free!
Zeichnung: Gerhard Haderer, mit freundlicher Genehmigung

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