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Das Superstarprinzip

Zur Ö3-Debatte: Kulturkritik, Formatlüge und authentisches Musikschaffen - Der Versuch einer Analyse. Von Günther Wildner.

Die Aktion Ö3 Soundcheck Spezial regt wieder einmal zu einer heftigen Diskussion an, ob, wie und wieviel Musikförderung heimischen Schaffens Ö3 denn betreibt. Dazu ein paar Klarstellungen im Vorfeld. Zunächst zur Formatlüge.

Format und Lüge

Format ist ein Begriff, der die grundsätzliche Musikausrichtung eines Senders beschreibt und weiters als Ausschlußprinzip verwendet wird für alles, was der Sender nicht spielen will. Das heißt bei Ö3: Formatausrichtung auf internationale, aktuelle Pop(Rock)Musik mit Schwerpunkt R’n’B unter Beachtung des Klangtapetendiktates, sprich: Nichts soll zu sehr auffallen oder herausstechen. Die Angst vor dem Ausschaltimpuls des Hörers regiert die Programmierung.

Beratung und grundsätzliche Ausrichtung [bis zu Vorgaben der einzelnen Titel] des Musikprogramms werden computerunterstützt von Radioberatungsfirmen bezogen. Möglichkeiten zum Handeinsatz und Einpflege lokalen Repertoires bestehen grundsätzlich zwar schon, sind aber beschränkt. Titel, die auf Sendung gehen sollen, werden aufwendig getestet. Über Sinnhaftigkeit, Aussagekraft und Innovationstötungspotential dieser Tests müßte ein eigener Artikel geschrieben werden.

Zeitgenössisches für Erwachsene

Das Format in Radiosprech: Irgendwas zwischen AC und Hot-AC [AC: Adult Contemporary = Zeitgenössisches für Erwachsene]. Grundansatz des Radiomachens: Radio als Begleiter durch den Tag, der unterhält [Comedy etc.] und informiert [Nachrichten, Verkehrsfunk usw.]. Musik soll alle Teile des Programms angenehm verbinden, die Einschaltquote fördern, damit die Werbung weiter gut verkauft bzw. der Umsatz gesteigert werden kann.

Hier liegt der Ansatz für das eigentliche Formatkriterium, das als das Superstar-Prinzip beschrieben werden kann. Jede auch noch so schwache Madonna-Single kommt mit höchster Wahrscheinlichkeit in eine prominente Rotation, formatgerechte Musik unbekannter Künstler jedoch nicht einmal ins Nachtprogramm, weil das Superstar-Argument fehlt. Natürlich kann jeder Musikchef viele Titel von Superstars nennen, die nicht gespielt werden, aber das verwundert angesichts der geringen Repertoiretiefe der Sender nicht.

Demgegenüber hat allerdings sogar formatfremde Musik bekannter Künstler kein Problem. Wenn Robbie Williams und Nicole Kidman Something Stupid trällern, befinden wir uns wohl nicht im Ö3-Format, trotzdem rotiert der Titel ansehnlich. Hier zeigt sich die Abhängigkeit des Radios von Zeitgeistphänomenen in Kultur, Wirtschaft und Medien. An Robbie Superstar zerbricht selbst ein für österreichische Verhältnisse potenter und stilbildender Sender wie Ö3 bzw. sein Formatprinzip. Er wird zum Erfüllungsgehilfen zwischen Massengeschmack, Sensationsgeilheitsdiktat und kulturindustriellem Druck: Robbie muß gesendet werden, ob er auf dem Kamm bläst oder rülpst [leider kann man Tätowierungen, Schleckeskapaden und Zungenküsse mit Konzertbesucherinnen noch nicht so gut im Radio zeigen].

Pure Musik – ohne Chance

Authentisches Musikschaffen ohne Aufregerpotential abseits des Musikalischen hat in diesen Rahmenbedingungen kommerziellen Medienveranstaltens äußerst schlechte Karten. Ö3 schafft den Spagat zwischen Cashcow für den ORF und der Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags so recht und schlecht im Zickzackkurs, die Zahlen stimmen ganz gut. Leider geht das auf Kosten der heimischen Kreativen, die den Kulturauftrag des ORF verständlicherweise nicht nur in Ö1 und teilweise FM4 verwirklicht sehen wollen.

Zynisch gesprochen könnte man Ö3 gleich völlig aus der Pflicht nehmen, denn bei internationalen Erfolgen von Falco, DJ Ötzi oder Kruder & Dorfmeister hat der Sender wohl keine Rolle gespielt.


Christina Stürmer - mit dem ORF zum Star

Trotzdem funktioniert die Medienmaschine des ORF, wie das Beispiel Christl Stürmer zeigt, noch immer. Genau hier setzt das Argument an, Ö3 könne nicht aus seiner Artist Development-Pflicht genommen werden. Hätte eine österreichische Plattenfirma die Produkte der heimlichen Starmania-Siegerin ohne die Castingshowunterstützung zum Funk und Fernsehen gebracht, das Urteil hätte Kein Airplay gelautet: Für die Landesstudios undenkbar, denn der moderne deutsche Schlager hört sich bitte anders an [an österreichischer Musik läuft hier nur der alte Austropop], für Ö3 zu harte Gitarren und zu alternativ, für FM4 zu mainstreamig, zu kommerziell.

Die weiteren – gut gemeinten und oft gehörten - Ablehnungsargumente: Keine charismatische Persönlichkeit, das Produkt klingt zu deutsch, die Produktion erreicht kein internationales Niveau, die Künstlerin ist unbekannt und möge doch zunächst Live-Auftritte bestreiten, schlußendlich natürlich: Insgesamt völlig am Format vorbei. Fazit: Elektronische Medien können noch immer Hits machen und Künstler aufbauen, doch welcher Sender finanziell auf Nummer sicher gehen will, bleibt beim Superstarprinzip - ein sinnvoller Werbekostenbeitrag von Plattenfirmen/Künstlerseite wäre nicht schlecht. Oder der Sender verdient wie bei Starmania gleich mit.

Österreich hat kein Kreativproblem!

Mit aller Klarheit und Deutlichkeit: Österreich hat kein Kreativproblem! Hervorragende Autoren, Komponisten, Interpreten/Instrumentalisten mit Peripherie und Verwerterteams sind ausreichend vorhanden, es muß nach ihnen nicht gefandet werden. Medienverordnetes Suchen und zwanghaftes Casten sind völlig unnötig! Vielmehr bewegen sich heimische Musikschaffende, jene nach Genre mehr oder weniger, in einem Kunsttransport-Verunmöglichungsfeld, das gleichermaßen von Medien und Musikindustrie scheinbar immer lückenloser aufbereitet wird.


Shiver - Gewinner der Ö3 Soundcheck Spezial-Bandwettbewerbs

Eine Förderaktion wie Ö3 Soundcheck Spezial wird dieses Dilemma nicht lösen können, denn hier melden sich primär junge Künstler, die alles zu gewinnen und nichts zu verlieren haben und die ihre Präsentation und zumeist Single-Tonträgerkarriere gerne in Plattenfirmen-, Ö3- und Gottes Hand geben. Bands, die noch nicht abschätzen können, was unbezahlte Kurz-, Cover-, Playback- oder gar Live Beach/MountainMania-Auftritte für ihre zukünftige Musikkarriere bedeuten werden.

Selbstinszenierung

Daß Persönlichkeiten mit Top-Tonträger-Produktionen und eineinhalbstündigem Live-Programm mit mittel- und langfristigem Kreativpotential diese "Förderung" plus schockierendem Plattenvertragsangebot besser nicht in Anspruch nehmen, liegt auf der Hand. Jeder verantwortungsvolle Musikmanager wird diese Einschätzung vermitteln. Somit bleibt Ö3 Soundcheck Spezial eine Förderaktion mit Feigenblattcharakter für ein ganz kleines Segment heimischer Pop/Rockmusikkreativer, die maximal Radiomacher und deren Controller glücklich machen wird. Sicher besser als nichts, jedoch im Gesamtbild als ein weiterer Marketinggag wirkend bleibt die Initiative unverständlich und unbefriedigend - sowie für Kreative und deren Verwerter erkenntnisfördernd, den österreichischen Musik- und Medienmarkt lieber nicht ins Primärauge zu fassen. gw

Mag. Günther Wildner ist Musikschaffender, Manager und Promotor, Wildner Music - Dienstleistungen im Musikbusiness. Fotos: Dietmar Lipkovich, Roman Pachernegg

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