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Wohlstandshilfe?

Sind Künstler Sozialschmarotzer? Oder Gefangene eines verkorksten Systems? Ein Aufruf zur Debatte – samt Kommentar.

Wien (19. Dezember 2004) – Kunstschaffende sollen sich ständig rechtfertigen: Warum sie erfolgreich sind, warum sie es nicht sind, warum sie eine Gage und sogar eine Versicherung haben wollen. Der Wert der Künstler soll laufend überprüft werden – evaluiert, wie man heute sagt -, und die größten Ahnungslosen werden als Prüfer bestellt.

Auf den ersten Blick scheint die von der Kronen Zeitung als Titelblatt groß aufgemachte Fortell/Wussow Affäre um angeblich ungerechtfertigt bezogene Arbeitslosengelder ein Einzelfall von privater Habgier zu sein. Bei genauerem Hinsehen entpuppt sich dieser "Skandal" jedoch als systembedingtes organisiertes Versagen der Politik, und das betrifft alle, auch die Musikerinnen und Musiker.

Warum nur, warum!

Am Anfang steht ein grundsätzliches Mißverständnis: Kunstschaffende sind nicht arbeitslos, sondern nur auftragslos. Die große Mehrheit ist von einer gleichberechtigten Teilnahme am Sozialsystem ausgeschlossen. Selbst die Bekanntesten unter ihnen sind in der Regel nur sporadisch und tageweise angestellt, z. B. um einen Fernsehfilm zu drehen; und auch die angestellten Musiker stellen mittlerweile eine Minderheit dar. Künstler arbeiten außerdem nicht nur auf der Bühne [für das Publikum sichtbar], sondern vor allem in ihrer vermeintlichen Freizeit. Neue Projekte wachsen bekanntlich nicht auf der grünen Wiese, sie müssen vorbereitet werden.

Diese Arbeit geschieht allerdings abseits des Rampenlichts und bleibt für das Publikum unsichtbar. Für diesen essentiellen Teil unserer Tätigkeit gibt es keine Gage - und keine Sozialversicherung. Aber: Wer nicht durchgehend angestellt ist, hat kaum eine Chance auf eine staatliche Pension und wird daher bis zum letzten Atemzug arbeiten müssen.

Soziales Netz – eine Hängematte?

Dem Mißverständnis folgt die Ignoranz auf dem Fuße. Selbstherrliche Pharisäer ignorieren, daß die Arbeitslosenversicherung für die immer kleiner werdende Gruppe von Kunstschaffenden, die wenigstens hin und wieder in einem normalen Dienstverhältnis arbeiten dürfen, einen überlebensnotwendigen Rettungsanker darstellt. Die Mehrheit arbeitet längst ohne Netz. Der Weg in eine erzwungene neue Selbständigkeit ist auch gesamtgesellschaftlich eine Sackgasse. An deren Ende steht die Verarmung breiter Bevölkerungskreise - die Künstler sind wieder nur die Avantgarde, die ersten Betroffenen. Darüber hinaus eignet sich das Thema nicht für eine Kampagne gegen Sozialschmarotzer. Die wahren Sozialschmarotzer sitzen ganz woanders.

Wir laden Format, Kronen Zeitung und alle anderen Medien ein, durch ausgewogene Berichterstattung beizutragen, daß dieser Zusammenhang für die beschworene »Mehrheit der Bevölkerung« verständlich und eine politische Lösung möglich wird. Journalistische Verantwortung besteht nicht darin, Privatpersonen, die sich an Gesetze halten, an den Pranger zu stellen.

PS: "Wer nicht arbeitet, soll nicht essen" titelte die Kronen Zeitung vor einigen Jahren. Seither sind - konsequenterweise - unzählige Milliardäre verhungert.

Die gesamte Diskussion zum Nachhören unter:
http://emap.fm/demand/var/20041220_gilde.ram

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