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Wien (18. September 2009) – Um das Radio und unsere Forderung nach mehr Musik aus Österreich ging es gestern, Donnerstag, bei der ganztägigen Parlamentsenquete über die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nur peripher. Zunächst eröffnete Danny Krausz, Obmann des Fachverbands Film & Audiovision in der Wirtschaftskammer: »Wenn diese Veranstaltung so erfolgreich ist wie die Musik-Enquete hier vor einem Jahr, dann können wir die nächste Enquete schon in ein paar Monaten abhalten. Dem ORF ist es nämlich gelungen, den Anteil österreichischer Musik inzwischen weiter zu senken!«
Der politische Auftrag an den ORF vom Juni 2008 lautete: Verhandlungen mit der Musikbranche mit dem Ziel einer freiwilligen Selbstverpflichtung des ORF. Verhandlungen durften mangels Mandat vom ORF-Radiomanagement allerdings nicht geführt werden – und aus der angekündigten Erhöhung des Österreich-Anteils um fünf Prozent wurde ein Minus von zwei Prozent.
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Ö3: erfolgreichstes deutschsprachiges Privatradio
Auch das Hitradio wurde erwähnt. Ö3 gelte in Europa als erfolgreichstes deutschsprachiges Privatradio, lautete ein Bonmot eines der eingeladenen Experten. Generell sei der ORF zu groß für das kleine Österreich und sollte daher seine wie Privatsender programmierten Bereiche, also Ö3 und ORF1, abgeben.
Was sagen die Mediensprecher?
Zurück zum Anfang. Eingeläutet wurde die Enquete mit Grundsatzerklärungen der Mediensprecher. »Wir wollen das Österreichische besonders hervorheben. Wir glauben, daß sich das österreichische Element, diese Kulturidentität im ORF wiederfinden muß,« betonte Josef Cap [SPÖ] in seiner ersten Stellungnahme.
»Wo ORF draufsteht, muß möglichst viel Österreich drinnen sein! Das ist eines der Gebote aus dem öffentlich-rechtlichen Auftrag«, stellte Klubobmann Karlheinz Kopf [ÖVP] fest, und Harald Vilimsky [FPÖ] fragte: »Warum sollen nicht auch andere Sender, die öffentlich-rechtliches Programm anbieten, in den Genuß einer Medienförderung kommen?« Danach las er das ORF1-Programm des Tages vor: nahezu ausschließlich eingekaufte US-Serien.
RSO muß bleiben, Dancing Stars Orchester kann gehen
Die Abschaffung des Rundfunksymphonieorchesters sei jedoch nicht akzeptabel – eine Einschätzung, die man noch oft an diesem Tag zu hören bekam. Andere Klangkörper sind offensichtlich weniger wert. »Ein bißchen weniger Scrubs, vielleicht ein bißchen weniger Dancing Stars«, konnte sich der FPÖ-Mediensprecher vorstellen.
»Gebühren abschaffen. ORF1 privatisieren. ORF2 zu einem rein öffentlich-rechtlichen Sender umbauen«, so will Stefan Petzner [BZÖ] den ORF vor dem Schicksal der AUA bewahren. Dieser öffentlich-rechtliche Auftrag müsse neu definiert werden. »Sorgen wir aber auch dafür, daß auch die privaten und die nichtkommerziellen Anbieter auf dem Markt eine Chance haben«, sagte Petzner.
»Medienpolitik darf keine Parteipolitik sein«, forderte Dieter Brosz [Grüne]. »Wir wissen doch, daß es in den letzten Jahren fast bei jedem Regierungswechsel komplette Wechsel in der ORF-Führungsetage gegeben hat. Die weißen Elefanten sind eigentlich rote und schwarze!«
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Das zusätzliche Geld werde »in von der Allgemeinheit gewünschte Leistungen« investiert werden, versprach ORF-Generaldirektor Wrabetz, denn: »Der ORF ist die Zentralanstalt der elektronischen Identität Österreichs.«
Letzten Endes geht es ums Geschäft
Österreichische Inhalte seien beim Publikum mit Abstand am beliebtesten. Der lokale und regionale Bezug schaffe kulturelle Identität. Darüber waren sich Experten wie Abgeordnete weitgehend einig. Hohe Publikumsakzeptanz eines Programms garantiert auch hohe Werbeeinnahmen. Diese Einnahmen machen mittlerweile jedoch nur mehr ein Drittel des ORF-Budgets aus. Dem ORF entgehen auf diese Weise jährlich Hunderte Millionen Euro.
Zu den Gewinnern zählen in erster Linie die beiden in Deutschland stationierten Unterhaltungskonzerne SevenOne Media und RTL über deren österreichische Werbefenster. Für den langjährigen RTL-Geschäftsführer und DAF-Aufsichtsrat Ludwig Thoma das ideale Geschäftsmodell. »Hundert Prozent Werbeeinnahmen bei null Programmkosten«, freute er sich schon am Vorabend der Enquete im Club 2, »und das haben die Politiker bis heute nicht verstanden!«
Der ORF-Generaldirektor offenbar schon. »Ich verstehe, daß die Manager der Hedgefonds, denen die deutschen Kommerzsender oft gehören, auch möglichst große Renditen aus dem österreichischen Medienmarkt erzielen wollen«, erklärte Alexander Wrabetz. Dies sollte jedoch nicht Aufgabe des österreichischen Gesetzgebers sein und sei bei allem Bekenntnis zur Förderung auch kommerzieller österreichischer Anbieter immer mit zu bedenken. »Die Werberegeln für den ORF dürfen daher nicht verschlechtert werden«, stellte Wrabetz klar.
ORF-Enquete: Volles Haus im Parlament - Bild: ORF
Ö1: so soll Fernsehen sein
Eine Lanze für regionale Programminhalte und – erwartungsgemäß – für die Werbung brach der Obmann der Fachgruppe Werbung in der Wirtschaftskammer, Peter Drössler. Persönlich höre er Ö1. »So soll Fernsehen sein!« »Hollywood raus – Österreich rein« lautete auch das Credo von Christian Stögmüller, Präsident des Verbands Österreichischer Privatsender.
Über rechtliche Grundlagen referierte Michael Holoubek, Professor an der WU-Wien. Es gehe im wesentlichen um den Erhalt der Meinungsvielfalt und um die Stellung der Redakteure als Träger der Meinungsfreiheit, die im Artikel 10 der europäischen Menschenrechtskonvention garantiert sei. Wenn die EU-Kommission die öffentlich-rechtlichen Sender einer genauen Prüfung unterziehe, dürfe die Bewertung des öffentlich-rechtlichen Mehrwerts [und der damit verbundenen Gebührenlegitimation] nicht den Ökonomen überlassen werden.
Fritz Wendl konstatierte in dieser Hinsicht einen Kampf »zwischen Public-Value und Shareholder-Value«. Es gäbe durchaus einen Regulierungsbedarf für die EU-Kommission, meinte der Vorsitzende des ORF-Redakteursrates, »aber zugunsten der Meinungsfreiheit!«
Ferngesteuerte Menschengehirne
Am Beispiel des Mitte der 80er Jahre privatisierten französischen Senders TF1 erläuterte Fritz Hausjell von der Universität Wien eindrucksvoll, welches Schicksal den Massenmedien im schlimmsten Fall droht: »Der Beruf von TF1«, gab Patrick Le Lay [TF1-Chef von 1987 bis 2007, Red.] im Jahr 2004 zu Protokoll, »besteht darin, zum Beispiel Coca-Cola zu helfen, sein Produkt zu verkaufen. Damit eine Werbebotschaft wahrgenommen wird, muß das Hirn des Zuschauers disponibel sein. Unsere Sendungen haben zum Ziel, es disponibel zu machen: das heißt, es zu unterhalten, es zu entspannen, um es zwischen zwei Botschaften aufnahmebereit zu machen. Was wir an Coca-Cola verkaufen, ist disponible Menschenhirn-Zeit.«
Dazu der Originalartikel in der Neuen Zürcher Zeitung
PS: In seiner Schlußerklärung faßte ORF-Generaldirektor Wrabetz alle vorgebrachten Verbesserungsvorschläge und Programmwünsche nochmals zusammen – von größerer Rücksicht auf Seh- bzw. Hörbehinderte bis zu mehr Sendezeit für Randsportarten. Die Musik aus Österreich vergaß er wieder einmal. pps
Tipps: Initiative Pro-ORF SOS-Musikland
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