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Zivilcourage statt Schlaraffenland

Hedwig Kainberger [Salzburger Nachrichten] sprach mit dem Vorsitzenden der Kulturgewerkschaft, Peter Paul Skrepek, über den Stellenwert der Kultur.

Kainberger: Für den Bereich Kultur gibt es – wenn der Name zutrifft – seit kurzem eine eigene Gewerkschaft. Denn die einstige Gewerkschaft für Kunst, Medien, Sport und freie Berufe hat sich Ende Juni in Kulturgewerkschaft umbenannt. Im Vorfeld des Gewerkschaftstages haben Sie gesagt: »Je schneller man akzeptiert, daß das Schlaraffenland jetzt ein Ende hat, desto besser.« Worin besteht denn das Schlaraffenland des ÖGB?

Skrepek: Ja, worin besteht das Schlaraffenland? Man muß sich erst durch eine berghohe Mauer aus Reisbrei durchfressen, ehe einem die gebratenen Tauben in den Mund fliegen. Kein Wunder, daß dort alle ermattet herumliegen. Dazu kommt eine systemimmanente institutionalisierte Inkompetenz.

Wie äußert sich die?

Politische Entscheidungen werden schon lange von Gremien getroffen, deren Mitglieder nicht mehr überschauen können, worum es geht. Eine wahre Gesetzesflut schwappt durch Ministerrat und Parlament, die einzelne Ministerin oder der einzelne Abgeordnete hebt vertrauensvoll die Hand, weil es vorher so ausgemacht worden ist – und wenn es schief geht, macht man halt ein neues Gesetz.

Was sind Ihre Vorschläge für eine Reform des ÖGB?
Direkte Demokratie. Die erfordert aber gebildete und informierte Mitglieder, die sich nicht scheuen, eine eigene Meinung zu äußern – also Zivilcourage haben. Selbstbewußte Mitglieder werden eine Frau oder einen Mann mit ebensolchem Charakter mit der Präsidentschaft betrauen. Die erzwungene Sparsamkeit hat auch ihr Gutes. Langfristig wird der ÖGB nur glaubwürdig bleiben, wenn sich das Mißverhältnis der Führungsgehälter im ÖGB zu jenen der Mitglieder ändert. Ich sehe keinen Grund, warum ein angestellter Spitzenmanager mehr als das Fünffache der vielzitierten Billaverkäuferin bekommen soll. Die Kulturgewerkschaft spart schon lange: Für meine Arbeit als Vorsitzender bekomme ich 350 Euro monatlich.

Umfaßt die gewerkschaftliche Definition von Kultur Kunst ebenso wie Sport?
Kultur hat etwas mit Pflege zu tun. Das ist im Begriff Agricultur, dem Ackerbau, gut zu erkennen. Die Zivilisation hat uns das Zahnbürstel gegeben, kultivierte Menschen benützen es auch.

Da könnte ja jeder zivilisierte Mensch beitreten?
Eine gute Idee. Damit wäre nicht nur der ÖGB gerettet.

Was haben Fußballer und Ensemblemitglieder eines Theaters im gewerkschaftlichen Sinne gemein?
Sie tragen ihre Arbeitskraft zu Markte. Natürlich ist Solidarität zwischen denen, die die Hauptrolle spielen, und jenen, die sie haben wollen, oft schwer herstellbar. Genauso kämpfen Fußballer um ihr Leiberl. In der Kulturgewerkschaft finden beide ihr Zuhause.

Wer sind bisher die typischen Mitglieder der Kulturgewerkschaft?
Die Angestellten im ORF oder den Theatern. Freischaffende tun sich aufgrund ihrer oft niedrigen Einkommen hier schwerer. Ihre Beschäftigung wechselt häufig, ihre Arbeitszeiten sind unregelmäßig. Schauspieler müssen sich intensiv auf eine Rolle vorbereiten, angestellt sind sie aber nur für ein paar Drehtage oder für die paar Wochen von Proben und Aufführungen. Arbeitet eine freie Musikerin, die daheim übt? Ja, natürlich! Aber Geld verdient sie nur, wenn sie auftritt. Da öffnet sich eine soziale Kluft, nicht nur bei der Frage des Arbeitslosengeldes.

Als ich 1990 als freier Musiker der Gewerkschaft beitreten wollte, hat man mich zuerst zurückgewiesen: "Wir sind nur für die Angestellten zuständig!" Aber ich war hartnäckig. Heute sind die Freischaffenden nicht nur willkommen – ich gehöre ja zu ihnen –, wir wissen auch, wo sie der Schuh drückt.

Was kostet die Mitgliedschaft in der Gewerkschaft?
Je nach Einkommen zwischen 2,10 und 27,40 Euro pro Monat.

Wer sind prominente Mitglieder?
Die Wiener Philharmoniker, die Symphoniker, das Mozarteum Orchester, Elfriede Ott, Fritz Muliar, Maria Bill, Michael Schottenberg, Wolfgang Böck, Mischa Krausz, Peter Legat, Christian Kolonovits, Bernhard und Thomas Rabitsch, viele Mitglieder des Dancing Stars-Orchesters, Andreas Ivanschitz, Kapitän der Fußballnationalmannschaft, Ivica Vastic, um nur einige zu nennen.

Welche Leistungen bieten Sie Ihren Mitgliedern?
Einen umfangreichen Rechtsschutz.
Wir konnten Rechtssicherheit für die freien ORF-Mitarbeiter erreichen, die nun zum größten Teil angestellt sind; eine teilweise Rücknahme der Pensionskürzungen im ORF; und wir haben die Personalkürzungen im Bereich der aktuellen Berichterstattung, sprich: das Ein-Mann-Kamerateam, verhindert. Am Pensionsbeitragszuschuß für freie Kunstschaffende, den es seit fünf Jahren gibt, haben wir mitgewirkt, betrachten ihn aber nur als Einstieg in eine Gesamtlösung für alle neuen Selbständigen. Und wir kooperieren mit dem Arbeitsmarktservice, um Härten auszugleichen, die sich aus der neuen Gesetzeslage zu Berufsschutz und Zumutbarkeit ergeben. Die Liste ließe sich fortsetzen. Wir leisten unspektakuläre aber unverzichtbare Arbeit.

Die nunmehrige Kulturgewerkschaft ist mit rund 10.000 Mitgliedern ein Zwerg im Bund der Gewerkschaften des ÖGB. Warum sollte es so eine winzige Gewerkschaft neben einer GPA oder einer GÖD geben?
Eine Welt, in der es mehr Ärzte gibt als Patienten, ist krank. Gleiches gilt für das Verhältnis Künstler-Publikum oder Journalisten-Leser. Eine selbstbestimmte, eigenständige Kulturgewerkschaft ist kein Luxus, sondern ein Impfstoff gegen Barbarei.

Ich lade alle herzlich ein, unser Angebot zu prüfen, auch politisch. Streiten wir um das Richtige. Links und Rechts sind zwei überholte politische Kategorien. Weitaus interessanter finde ich das Spannungsfeld zwischen Fremd- und Selbstbestimmung. Darüber lohnt es sich nachzudenken.

Bedeutet die Umbenennung, daß neue Berufsgruppen als Mitglieder angesprochen werden sollten? Wenn ja, welche?
Das ist ein Gebot der Stunde. Die Arbeitswelt ist ja nicht mehr dieselbe wie vor zwanzig Jahren. Arbeit darf nichts mehr kosten, alles soll billig sein, alles wird ausgelagert. Am Ende können sich dann Arbeitslose nicht einmal mehr den Ramsch und Massenprodukte aus den südostasiatischen Sonderwirtschaftszonen leisten. Dafür werden die Fernreisen deutlich günstiger. Das ist purer Zynismus. Daß in einem solch unintelligenten Wettbewerb nach unten die Kultur auf der Strecke bleibt, ist nur die logische Konsequenz dieses menschenverachtenden Irrsinns. Sklaven brauchen keine Kultur.

Am Gewerkschaftstag wurden die "neuen Selbständigen" als Zielgruppe genannt. In welchen kulturellen Bereichen gibt es solche "neuen Selbständigen"?
In allen. Die Kunstschaffenden waren nur die ersten, die Avantgarde. Der Status als "neuer Selbständige" wurde uns erst 2001 endgültig übergestülpt, wir haben nicht darum gebeten. In der Kunst zählt die Freiheit mehr als die Sicherheit, auch die Freiheit zu scheitern und schlimmstenfalls zu verhungern. Jetzt wird dieses Modell auf alle Arbeitsbereiche ausgedehnt. Das fängt bei den Pflegeberufen an und hört bei den Web-Designern auf.

Am Anfang ist es eine Herausforderung, als freier Musiker zu überleben: ohne Krankenversicherung, ohne Altersvorsorge. Ich gehöre auch zur Rock’n’Roll-Generation. Aber eine Familie kann man so eher nicht erhalten. Diese "Freiheit" entpuppt sich recht bald als Vogelfreiheit, als freier Fall durch das soziale Netz. Jetzt wird diese Lebensart auf die ganze Gesellschaft ausgeweitet. Eine halbe Million Menschen sind nach offiziellen Angaben bereits Neue Selbständige. Das kann natürlich eine Chance sein. Aber ohne Kurskorrektur werden wir eher den Eisberg rammen.

Selbstständige sind ja eigentlich Unternehmer. Was hätten die bei der Gewerkschaft zu gewinnen?
Wer arbeitet, um leben zu können, ist bei einer Solidargemeinschaft willkommen. Der Antagonismus zwischen Arbeitern und Unternehmern ist ein scheinbarer. Tatsächlich stehen beide unter dem permanenten Druck der Kapitalbesitzer. Aber am Geldmonopol darf nicht gerührt werden. Das ist tabu. Merkwürdig, oder?

Und weil ja Wahlkampf bevorsteht: Was sind aus Sicht der Kulturgewerkschaft die wichtigsten Aufgaben für die nächste Bundesregierung?
Wir brauchen eine Bildungspolitik, die den selbstbestimmten Menschen zum Ziel hat und nicht den ferngesteuerten Konsumenten. Das kostet Geld. Daher wird es unumgänglich sein, die Kontrolle der Geldwirtschaft und der Finanzmärkte dem Souverän zu übertragen. Wenn das gelingt, steht uns die Welt offen. Kultur ist schließlich kein Privileg der Reichen. Im Gegenteil. Wer Kultur hat, ist reich.

Quelle: Salzburger Nachrichten - Foto: Fritz Holoubek

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