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Die Zukunft des ORF

Im passenden Ambiente der SPÖ-Zukunftswerkstätte diskutierte eine hochkarätig besetzte Runde die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

Wien (12. Dezember 2005) - »Das europäische Kulturgut ist durch Privatradio und TV bedroht«, stellte Alexander Wrabetz, kaufmännischer Direktor des ORF, gleich zu Beginn fest. »Niemand glaubt mehr, daß es durch Privatfernsehen mehr Vielfalt gibt.« Obwohl der ORF derzeit zu 56 Prozent aus Gebühren finanziert werde, stehe er nach wie vor unter dem Druck der Werbewirtschaft, die Zuschauerzahlen verlange, erklärte er. »Allein die deutschen Werbefenster lukrieren 140 Millionen Euro«, so Wrabetz. Diese Summe entginge dem ORF. Dennoch investiere der ORF in Eigenproduktionen, wie z. B. Dancing Stars. »Da gibt es hervorragende Musiker«, lobte der ORF-Manager.

Als »Fehler der Politik« bezeichnete Wolfgang R. Langenbucher die »Abhängigkeit von der Werbung«. Der ORF habe seine öffentlich-rechtliche Zukunft bereits hinter sich, sagte der Vorstand am Institut für Publizistik und Kommunikationswissenschaften der Universität Wien. »Er folgt bereits jetzt der Logik der Privaten und verliert seine gesellschaftliche Legitimation.« Was die Gebührenzahler zahlten, komme zu einem Teil gar nicht beim ORF an, meinte Langenbucher und fragte: Wenn sich das Programm des ORF nicht mehr von den Privaten unterscheidet, wozu dann überhaupt noch Gebühren?«

»Ich war ein nützlicher Weise«

In Diskussionslaune zeigte sich der frühere ORF-Generalsekretär Heinrich Keller. »Im ORF sitzen Neoliberale, es geht nur mehr um Gewinne. Wir müssen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk neu gründen!« Im ORF-Gesetz, das er als Mitglied des Weisenrates mitgestaltet habe, stehe viel Richtiges, aber niemand kümmere sich darum, ob es auch eingehalten werde, so Keller. Der Weisenrat hatte den Programmauftrag und die Werberichtlinien zu formulieren. »Ich war ein nützlicher Weise«, zog Keller Bilanz, »die Realität des ORF hat nichts mit der Absicht des Gesetzes zu tun.«

»Nützlicher Weise für schauerliches Verdummungsprogramm« Dr. Heinrich Keller

Josef Cap, Klubobmann der SPÖ und selbst jahrelang im ORF-Kuratorium, ortete die Verantwortung dafür bei der ÖVP, die »den ORF zerschlägt«. Außerdem solle sich niemand über zu viele US-Serien beschweren, meinte Cap, denn »alle wollen sie sehen«. [Nahezu 100 Prozent des ORF-Jugendprogramms bestehen aus US-Serien; Red.] »Taxi Orange war super«, meinte der Politiker, »aber wenn man mehr österreichisches Repertoire fordert, muß man auch sagen, woher der ORF das Geld dafür nehmen soll.« Darüber hinaus müsse man diese Forderung auch an die Privaten richten. Er betrachte den »ORF als kulturelle Einrichtung für österreichische und globale Kulturidentität«, so Cap. Aufgrund des kleinen Marktes könne er aber nur über Gebühren und Werbung gemeinsam finanziert werden.

Danny Krausz, Dr. Josef Cap, Dr. Eva-Maria Klinger (Moderation) - Fotos: pps

»Das in Österreich gemachte Programm hat die größte Nachhaltigkeit«, stellte Filmproduzent Danny Krausz fest, »es ist beim Publikum auch langfristig am beliebtesten, kostet allerdings auch mehr als Lizenzen für US-Filme.« Eine verpflichtende Fernsehrichtlinie sei notwendig, denn »derzeit sind wir von Kontinuität und Identitätsfindung weit entfernt«, forderte Krausz. Die wäre aber wichtig. Heute sei der ORF nur mehr eine regionale deutschsprachige Anstalt.

Dr. Michael Schmitz

»Wenn der ORF eine Kopie der Privaten wird, dann brauchen wir ihn nicht«, erklärte Michael Schmitz. »Statt immer mehr Infotainment brauchen wir bessere Information und Aufklärung«, so der Psychologe und ZDF-Journalist und verwies auf den Erfolg des Senders Phönix, dessen Hintergrundberichterstattung erstaunlich viele Zuschauer anziehe. Bei den Privaten sei nicht die politische Kontroverse gefragt, sondern der hohe Unterhaltungseffekt.

»Erfolg muß man schon messen, aber die Einschaltquote ist wohl das unintelligenteste Mittel, analysierte Schmitz. Es gelte auch die Qualität als Kriterium zu berücksichtigen, schloß Schmitz.

Keller: »Schauerliches Verdummungsprogramm«

Er könne nachvollziehen, daß der ORF aufgrund begrenzter Budgets nicht beliebig viele Eigenproduktionen herstellen könne, meldete sich Peter Paul Skrepek aus dem Publikum zu Wort. Beim Radio sei das anders. Die hier lebenden Musikschaffenden lieferten ihre CDs dem ORF ja gratis, und er frage sich, warum sie der ORF dennoch kaum im Programm berücksichtige.

»Dazu wäre zuerst ein anderer Ö3-Chef vonnöten«, antwortete Dr. Keller, »dann erst ist eine Änderung möglich.« Insgesamt diagnostizierte Keller ein »schauerliches Verdummungsprogramm«, dessen öffentlich-rechtliche Inhalte verloren gingen. Dadurch wäre die Rechtfertigung der Gebühren auch vor der EU in Frage gestellt.

Für den Erhalt des ORF-Zentrums auf dem Küniglberg sprach sich Rudolf Widmar, Vorsitzender der KMSfB-Sektion Elektronische Medien, aus. Der zentrale ORF-Standort müsse in vollem Umfang erhalten bleiben. Ein kolportierter Neubau auf der grünen Wiese könnte über den Weg von Auslagerungen auch zur Vernichtung kollektivvertraglich abgesicherter Arbeitsplätze mißbraucht werden, warnte der Gewerkschafter.

Resümee: Um zu bestehen, braucht der ORF ein unabhängiges Management, einen Stiftungsrat mit echtem Kontrollauftrag und internen Pluralismus. Auf eine Rettung durch die Werbung werde man vergeblich warten. sf & pps

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