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Kultur ist das Fundament

Gegen den heftigen Widerstand der USA hat die UNESCO mit großer Mehrheit eine Konvention verabschiedet, die Kulturgüter von den Regeln des Welthandels ausnimmt.

Paris/Wien (24. Oktober 2005) - Bei der 33. UNESCO-Vollversammlung in Paris stimmten am vergangenen Donnerstag fast alle der anwesenden 154 Mitgliedstaaten für die Konvention. Nur die USA und Israel waren dagegen. »Das ist, trotz aller Schwächen des Dokumentes, eine historische Zäsur» freut sich Schriftsteller Ludwig Laher [unser "Mann in Paris"] und setzt fort: »Die Weltgemeinschaft hat der Arroganz der USA ["We respect this house too much to support a UNESCO document that is poorly written"] die kalte Schulter gezeigt. 151 Staaten haben trotz bilateralen Drucks des Weltpolizisten damit auch gezeigt, daß der absolut freie Wettbewerb ein Auslaufmodell sein muß.«

Ludwig Laher

Was auf den ersten Blick ein wenig großspurig klingt, könnte der Auftakt zu einem generellen Umdenken der Welthandelspolitik sein, denn »auf den (scheinbaren?) Nebenschauplätzen probt die Welt gerne«, so Laher.

Aber schon regt sich Widerspruch. So befürchtet der Sozialwissenschaftler Ascan Breuer, die UNESCO-Konvention drohe »zum Instrument einer national (?) protektionistischen Kulturpolitik zu verkommen.« In einem Standard-Kommentar vom 20. Oktober schreibt Breuer, »das national-konservative Lager innerhalb der globalisierungskritischen Bewegung wittert (...) einen großen Sieg«. Das sei jedoch ein Irrtum. Es gehe um das Gegenteil von Kulturkonservierung und Wirtschaftsprotektionismus, so der Journalist und Filmemacher Breuer.

Kultur ist keine Ware

»Natürlich ist das eine Konvention gegen den absolut freien Markt, also ist sie protektionistisch, weil es schließlich um protection geht«, widerspricht Ludwig Laher, Mitglied der österreichischen Delegation in Paris. »Aber nicht protektionistisch in dem Sinn, daß abgeschottet wird, im Gegenteil«, stellt Laher klar. Vor allem Entwicklungsländer sollen hinsichtlich ihrer Kulturindustrie und Kunstschaffenden bevorzugt behandelt werden. »Freilich geht’s auch darum, daß die eigene Kultur- und Kunstproduktion eines Landes nicht unbegrenzt der internationalen Konkurrenz ausgesetzt wird. Wer sich dazu nicht bekennen kann, ist allerdings mit der Konvention schlecht bedient«, schließt Laher, der kürzlich zum Vorsitzenden des INCD [Internationales Netzwerk für kulturelle Vielfalt] gewählt worden ist.

Selbstbestimmung

»Ganz offensichtlich geht es in dieser Konvention darum, den einzelnen Staaten ein brauchbares Instrument zu geben, regionale Kulturen durch Direktinvestitionen am Leben zu erhalten«, kommentiert Peter Paul Skrepek den Disput. »Die Förderung von Kulturinstitutionen - von der Oper bis zur Kulturinitiative - müßte ja sofort eingestellt werden, könnten sich auch ausländische Konkurrenten um Subventionen bewerben. Setzen sich die Verfechter des "freien" Welthandels auch in diesem Bereich durch, dürften diese Konkurrenten nicht ausgeschlossen werden - und der Subventionstopf wäre rasch leer«, so der ÖGB-Kultursprecher.

Die Konvention kann als Instrument des Protektionismus benutzt werden. Daß diesen Vorwurf gerade der größte Protektionist, der Weltmeister der Marktabschottung, die USA, erhebe, bezeichnet Skrepek als »bemerkenswertes Detail«. In erster Linie gehe es um die Vorherrschaft auf dem Gebiet der audiovisuellen Medien. »Diesen lukrativen Markt - und die damit verbundenen Möglichkeiten der Propaganda - wird der Marktführer nicht kampflos aufgeben. Daran dürfte auch die aus dessen Sicht verlorene "Schlacht" um die UNESCO-Konvention nichts ändern«, zeigt sich Skrepek skeptisch.

Gemeinsames Erbe aller Menschen

Kulturelle Vielfalt muß als gemeinsames Erbe der Menschheit betrachtet werden, ihre Verteidigung ist ein ethischer Imperativ, untrennbar verbunden mit der Würde des Menschen. So steht es in der 2001 angenommenen UNESCO-Deklaration zur Kulturellen Vielfalt zu lesen. Die jetzige Konvention stellt den Staaten ein normatives Instrument zur Verfügung, ihre Kulturpolitik souverän zu gestalten. Wörtlich wird »der Schutz und die Förderung eines vielfältigen kulturellen Ausdrucks« als zentrales Anliegen angeführt - und eine Politik verlangt, die auch Minderheiten die Chance eröffnet, sich in die kulturelle Vielfalt eine Landes einbringen zu können.

»Wir werden die Verwirklichung dieser Konvention vehement verlangen und ihre Einhaltung beobachten«, kündigt Musikerpräsident Skrepek an, »nicht nur in Bezug auf die Diskrimierung heimischen Schaffens in den österreichischen Radio- und Fernsehprogrammen, sondern auch bei der Bildungspolitik.«

PS: Damit die Konvention international verbindlich wird, muß sie von mindestens 30 der 191 UNESCO-Mitgliedstaaten ratifiziert werden. pps

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