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Wien (5. April 2010) – Wenige Monate nach dem Tod seines jüngsten Sohnes, Georg, am 13. Juni 2009 [Nachruf] folgte ihm am 14. März 2010 sein Vater Paul.
Paul Polansky, geboren als Pavel Feldman am 14. Juni 1925 in Moravská Ostrava [Mährisch Ostrau], war Musiker. Er studierte Trompete am Konservatorium Bratislava [Preßburg] und wandte sich nach seinem Diplom ganz dem Schlagzeug zu. Als Schlagzeuger fand er Bewunderung und Anerkennung weit über die Grenzen der Tschechoslowakei hinaus. Noch während des Studiums arbeitete er als Redakteur beim Rundfunk, dannach, ab 1953 war er als Komponist und Dirigent des Radiostreichorchesters tätig – seine Liebe zum großen Streicherklang dürfte damals entstanden sein –, und er gründete das Tanzorchester des Tschechoslowakischen Rundfunks Bratislava, dessen Leitung 1961 dem kongenialen Karel Krautgartner anvertraut wurde. Darüberhinaus war Polansky sehr an Technik interessiert und führte neue Methoden in der Musikproduktion ein: erstmals in der Slowakei trennte er die Aufnahmen von Instrumenten und Stimmen, wodurch eine bessere Kontrolle über die Mischung möglich wurde.
Boogie Club, 1946 - am Schlagzeug: Paul Polansky
Der breiten CSSR-Öffentlichkeit wurde Paul Polansky durch seine Radiosendungen ein Begriff. Regelmäßig spielte er aktuellen Jazz, Aufnahmen aus aller Welt, die er auf teilweise abenteuerlichen Wegen an Grenzkontrollen und Zensur vorbei ins Programm schmuggelte. Nicht nur die Öffentlichkeit wurde auf ihn aufmerksam, sondern auch der Geheimdienst. Polansky erhielt eine Vorladung zur Einvernahme. Nach vierundzwanzig Stunden war die peinliche Befragung zu Ende; und die Situation entspannte sich etwas, als die kommunistische Partei erkannte, daß sie mit Jazz die jungen Leute ansprechen konnte, um ihnen, nebenbei, auch ein bißchen Ideologie einzuflößen.
It don't mean a thing, if it ain't got that swing
Ein guter Lehrer erkennt das wahre Talent eines Schülers. Pauls Geigenlehrer, Kapellmeister einer böhmischen Marschmusik, erteilte ihm auch Unterricht an der kleinen Trommel. Schon bald ersetzte der kleine Bub den Trommler der Marschkapelle des Turnerbundes Sokol und war das Stadtgespräch in Bratislava.
Jahrzehnte später wurde Paul Polansky zum Wegbereiter der Modernisten in der Slowakei. Als er sich 1958 bei durchwegs um fünfzehn Jahre jüngeren Jazzmusikern, die ihn respektvoll mit Onkel Paul ansprachen, hinters Schlagzeug setzte, leitete er eine Revolution ein. Polansky war nicht nur Begleiter, sondern auch Improvisator und Solist – einer, der die Musik zum Swingen brachte. Seine slowakische Periode als Jazzschlagzeuger fand ihren Höhepunkt in den Jahren 1960 bis 1964. In dieser Zeit war er ständiges Mitglied von Ensembles wie dem Jazz Studio [Hronec, Gerhardt, Deczi, Berceler u.a.], dem legendären S+H Quintett, Prager Dixieland und dem Orchester Gustav Brom, mit denen er zahlreiche Gastspiele im In- und Ausland gab. Damals begegnete er seinen Idolen Benny Goodman und John Coltrane im belgischen Comblain la Tour, Quincy Jones und Count Basie im schwedischen Landskrona und Duke Ellington im Wiener Konzerthaus; und er knüpfte Kontakte mit Jimmy Woody, Erich Kleinschuster, Fritz Pauer und Fatty George.
B. Hronec, P. Polansky, E. Vizvári, M. Jurkovic, M. Belan, J. Henter, G. Koval (v.l.n.r.)
Nach dem Ende des Kalten Kriegs zählte Paul Polansky auch als Leiter der Auslandsabteilung der tschechoslowakischen Konzertagentur zu jenen, die aktiv und risikofreudig für eine offene Gesellschaft eintraten – eine Entwicklung, die einige Jahre später im Prager Frühling kulminierte.
»Die schönsten Jahre meines Lebens«
Eine Woche nach der "Befreiung" von den "sinistren Konterrevolutionären" [dem Volk] durch Truppen des Warschauer Paktes flüchtete Paul Polansky mit seiner Frau Katarina und den Söhnen Paul, Peter und Georg nach Österreich. Karel Krautgartner, dessen Bedeutung für die Musik in der Tschechoslowakei Polansky mit jener von Duke Ellington oder Count Basie für die USA gleichsetzte, hatte die Heimat unmittelbar am 21. August 1968 verlassen. [Alle seine Aufnahmen wurden später, während der "Normalisierung" vom Regime aus den Archiven entfernt.]
In Wien fand die enge Zusammenarbeit der beiden Freunde ihre Fortsetzung. Während Krautgartner zum Chef des Unterhaltungsorchesters im Österreichischen Rundfunk avancierte [aus dem die beiden ein Jahr später die ORF-Big Band formten], wurde Polansky Musikchef von Ö3. Diesem Sender drückte er in den kommenden zweiundzwanzig Jahren seinen Stempel auf – Jahre, die er als »die schönsten meines Lebens« bezeichnete.
Es ist wohl das Verdienst von Paul Polansky, der Jugendkultur breiten Raum gegeben und auch der jeweils nächsten Generation das breite Spektrum der Musik vermittelt zu haben. Wir entdeckten buchstäblich jeden Tag etwas Neues, bisher Ungehörtes. Alle heute bekannten Musikerinnen und Musiker aus Österreich wurden von Ö3 beeinflußt. Das Radio war mit einem Mal ein Tor zur ganzen Welt – und gab den hiesigen Musikschaffenden bezahlte Aufträge. Nie zuvor hatten österreichische Komponisten und Arrangeure derartige Produktionsbedingungen vorgefunden. Als Musikchef hatte Polansky darüberhinaus auch die Möglichkeit, Aufnahmen österreichischer Provenienz auf Sendung zu bringen. Er nutzte diese Möglichkeit.
Nachdem das Fernsehen damals noch keinen Stereo-Ton übertragen konnte, hatte Polansky die Idee, dem TV-Bild via zeitgleicher Radioübertragung einen hochqualitativen Stereo-Ton beizusteuern. Eine neue Ära der Musikübertragung war in Europa geschaffen und unzählige Aufnahmen – vorwiegend in Zusammenarbeit mit Toningenieur Ernst Neuspiel – entstanden: Duke Ellington, Oscar Peterson, Ella Fitzgerald, Shirley Bassey, Count Basie, Harry James, Weather Report, Blood, Sweat & Tears, Return to Forever, Al Jarreau, Astor Piazzolla – und Eigenproduktionen des ORF mit Stephan Grappelli, Antonio Carlos Jobim, Joe Pass, Toots Thielemans und Joe Zawinul mit vom ORF in Auftrag gegebenen Kompositionen und Arrangements.
Viele Musikliebhaber beschenkte Paul Polansky mit der allabendlichen Sendung Musik zu Träumen, die er mehr als zwei Jahrzehnte erfolgreich gestaltete. Daß er beim Hören seines eigenen Musikprogramms in der Stunde bis Mitternacht auf dem Wohnzimmersofa des öfteren auch selbst sanft ins Land der Träume geglitten sein soll, ist mehr als nur eine Legende.
Auch nach seiner Pensionierung ließ ihn das Radio nicht los. Im nach der samtenen Revolution in der Slowakei neu entstandenen Radio Twist war er mit seiner Sendung Pekna hudba - Schöne Musik weiterhin eine Galionsfigur und trug ab 1989 zehn Jahre lang maßgeblich zum Erfolg des neuen Senders bei.
Wundersame Rettung durch die Musik
Paul Polanskys engagierte Ablehnung totalitärer Systeme war beeindruckend – und mutig, weil er mit den Folterknechten persönlich zu tun gehabt hatte. Seine Kindheit in Bratislava und die Zeit des Protektorats Slowakei prägten ihn für den Rest seines Lebens. Obwohl getauft, mußte er die Schule verlassen und war vom Gottesdienst, bei dem er als Ministrant jahrelang gedient hatte, ausgeschlossen.
Dank seiner außergewöhnlichen Sprachgewandtheit [Slowakisch, Tschechisch, Deutsch, Ungarisch, Französisch und Englisch], seines Musiktalents, seines Humors, aber auch aufgrund seiner ausgeprägten Improvisationsfähigkeit gelang es ihm, die Kriegsjahre – wie durch ein Wunder – zu überstehen. Zuerst fand er Unterschlupf im Archiv und Orchester des slowakischen Rundfunks, wo er sich versteckte, um seinen Namen schließlich doch noch auf den Lager-Transportlisten zu finden. Doch als der musikliebende SS-Kommandant den Buben Polansky wiedererkannte, holte er ihn vom Laster und schickte ihn nach Hause.
Das Ende des Zweiten Weltkrieges in Europa erlebte er als deutscher Kriegsgefangener in Wiener Neustadt, wo er für die russische Kommandantur dolmetschte. In seinen Erzählungen zeichnete er ein detailliertes Bild der dunklen Jahrzehnte des zwanzigsten Jahrhunderts. Über seine Anekdoten konnte man herzhaft lachen, auch wenn die Geschichten dahinter manchmal todtraurig waren.
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Recherche und Übersetzung von Interviews und Texten aus dem Slowakischen: Peter Polansky, Text: Peter Paul Skrepek
Zum Nachlesen: Paul Polansky im Interview mit Sibylle Fritsch
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